Bis zum nächsten Zusammenbruch

Süßer hat Selbstmitleid selten geklungen: Matt Hales macht schönen britischen Nieselregenpop, der nach einsamen Spaziergängen und gebrochenem Herzen klingt. Manchmal wird er sogar optimistisch, aber nur für ein paar Minuten

Auf dem Cover seines neuen Albums Still Life schaut Matt Hales aus der Fellkapuze seines Parkas heraus. Schüchtern, so wie ein Mann, der sich die Kapuze ins Gesicht zieht, weil ihm die Welt zu groß ist. Und auch auf anderen Bildern sieht er in etwa so aus wie seine Popsongs: ein schüchternes Jungslächeln, ein akkurater Seitenscheitel, eine schwarze Hornbrille, schlichte, aber elegante Kleidung. Aqualung nennt er sich, so wie ein Album der Querflötenrocker Jethro Tull in den Siebzigern.

Mit denen hat Hales nichts zu schaffen. Und der Erfolg von Aqualung, immerhin 200.000 verkaufte Alben und die Hit-Single Love Brighter Than Sunshine, gibt all denen recht, die schon immer behauptet haben, Kunst käme von Können. Denn Hales ist mit unzähligen Instrumenten aufgewachsen. Vor allem mit dem Klavier, auf dem er schon im Alter von vier Jahren komponiert haben soll. Danach die klassische Musikausbildung und das Studium auf den Musikhochschulen in Winchester und London, das er sich damit finanzierte, gemeinsam mit seinem Bruder Police-Songs zu covern und die Kassetten für 2 Pfund zu verkaufen.

Dann kam das Übliche. Der Herzschmerz und all die Themen, über die es sich wirklich zu singen lohnt. All die einsamen, versonnenen Spaziergänge im Winterwald, die man im Beiheft von Still Life mitwandern kann. All die Stunden alleine am See, fast so wie bei Caspar David Friedrich. Fast so wie die Musik von Travis oder all den anderen Nieselregenpopspezialisten aus Großbritannien. Also die ganz große Extraportion Liebe und Gefühl. Eher Moll als Dur. Mehr minor als major.

„Musik kann auch ein Stuhl sein, auf dem man sitzen kann“, haben Travis einmal ihre Musik beschrieben. Und so klingt auch Aqualung: „This life can only be this lonely / There‘s no tomorrow / Just another little hole in my heart“, heißt es in einem Stück des neuen Albums. Süßer hat Selbstmitleid selten geklungen.

Doch auch Fröhliches ist auf dem Album: „What a feeling in my soul / Love burns brighter than sunshine“, singt Hales schon im ersten Stück. Überhaupt sei das neue Album viel optimistischer als das Debüt, sagt Hales: „Beim neuen Album habe ich definitiv mehr an die Zukunft gedacht, und da ich schon so etwas wie ein Optimist bin, beinhaltet Still Life sehr viel Hoffnung.“ Also lässt Hales Streicher und Bläser sinfonisch jubeln, vergisst Schmerz und Zukunftsängste – mindestens ein paar Popminuten lang, bis ein neuer Zusammenbruch naht.

Marc Peschke

Montag, 21 Uhr, Indra