Das Streichkonzert im Parlament

Schlagabtausch über den Doppelhaushalt: CDU und FDP wollen eine erneute Verfassungsklage gegen den Haushalt prüfen. Koalition warnt davor, die Grünen sehen keinen Sinn in der Klage

VON RICHARD ROTHER

Klaus Wowereit kommt gleich zur Sache, spricht die Opposition direkt an: „Herr Lindner, es wird nicht besser, wenn Sie hier immer nur herumquäkeln!“ Martin Lindner, FDP-Fraktionschef, rekelt sich kurz und winkt ab – noch bevor ihn der Regierende Bürgermeister erneut angeht. Klientelpolitik werfe Lindner dem rot-roten Senat vor, dabei sei dessen Forderung, den Flughafen Tempelhof nicht zu schließen, Klientelpolitik. „Sie wollen doch nur, dass ein paar Reiche in Tempelhof landen können.“

Auch sonst bewegt sich die Generaldebatte, die gestern im Abgeordnetenhaus zum Doppelhaushalt 2004/2005 abgehalten wurde, im üblichen Rahmen: Die Opposition warf dem Senat vor, kein Konzept zu haben, und bestritt, keine eigenen Sparvorschläge zu unterbreiten; die Koalition bezeichnete die Kürzungen als ausgewogen und als Teil der Hausaufgaben, die Berlin zu machen habe – auch um vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Sonderhilfen einklagen zu können.

Die Verfassungsgerichte – sowohl in Berlin als auch in Karlsruhe – waren ohnehin ein zentrales Thema der Debatte. Kein Wunder: Denn während allgemein erwartet wurde, dass die Regierungsfraktionen von SPD und PDS den Haushalt gestern Abend verabschiedeten, kann es in puncto Verfassungsklage gegen den Haushalt spannend werden. Für eine solche Klage vor dem Landesverfassungsgericht ist die Unterstützung eines Viertels der Abgeordneten notwendig – ein Quorum, das die Opposition erreichen könnte.

Sowohl CDU als auch FDP ließen gestern offen, ob sie erneut gegen den Landeshaushalt klagen wollen. Man werde diesen Schritt sorgfältig prüfen, hieß es. Allerdings betonte CDU-Fraktionschef Zimmer, seine Fraktion wolle Berlin nicht schaden. Mit einem verfassungswidrigen Haushalt würden die Chancen in Karlsruhe nicht besser.

Auch FDP-Fraktionschef Lindner versprach eine „verantwortungsbewusste Entscheidung“ seiner Fraktion. Gleichzeitig behauptete er, dass Klagen der Berliner Opposition „überhaupt keinen Einfluss auf das Verfahren in Karlsruhe“ hätten. Der Grünen-Haushaltsexperte Jochen Esser sah hingegen keinen Sinn in einer erneuten Klage vor dem Landesverfassungsgericht.

Die Koalition warnte hingegen CDU und FDP vor einem erneuten Gang vor das Landesverfassungsgericht. „Sie gefährden damit die Zukunft Berlins“, so PDS-Fraktionschef Stefan Liebich. Und für SPD-Fraktionschef Michael Müller gibt es für eine Klage „keinen juristischen Ansatzpunkt und einen politischen mit Sicherheit auch nicht“.

Der Etat umfasst Ausgaben und -einnahmen in 2004 in Höhe von 22,4 Milliarden Euro und in 2005 von 21,1 Milliarden Euro. Fast ein Viertel wird über neue Schulden finanziert. Zu den Sparmaßnahmen gehören der Stopp der Wohnungsbauförderung, Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst und Kürzungen bei Hochschulen und Theatern. Zudem werden Sozialmieten, Kita-Gebühren und Wasserpreise erhöht, die Zuschüsse für das Sozialticket gestrichen. Geplant sind Gebühren für Langzeitstudenten.