Der homosexuelle Mann …

… antwortet Heinz Bude, dem Großerklärer der Herren von Beust und Wowereit

Welche sexuelle Präferenz hat Klaus Wowereit? Und welche Ole von Beust? Lack der eine, Leder der andere? Der eine liegt gern oben, der andere steht dabei? Wir wissen es nicht, so soll es auch bleiben. Wir wissen, beide sind schwul, und noch immer reicht dieses biografische Detail aus, um über Sexuelles zu reden, obwohl davon keine Rede ist.

Der Erfinder der „Generation Berlin“, Heinz Bude, hat am vergangenen Sonntag im Tagesspiegel über die Popularität des Berliner sowie des Hamburger Regierungschefs spekuliert, auch er mit stierem Blick auf das Sexuelle: „Klaus Wowereit und Ole von Beust haben mit ihrer sexuellen Präferenz Politik gemacht.“ Denn beide – so Bude – taugen eigentlich gar nicht zum Politiker. „Eigentümlich verlorene Menschen“, schwach der Berliner, antriebsarm der Hamburger, „so merkwürdig konturlos“ und gebeutelt von ihrer sexuellen Malaise: „Bei Klaus Wowereit wie bei Ole von Beust deutet der Sex auf einen Komplex von biografischer Unordnung und persönlichem Leid …“ – jedes traurige Schicksal birgt die Chance zum Neuanfang – „… der das Publikum zur sympathischen Stellungnahme bewegt“. Denn Schicksal – so Bude weiter – mögen die Menschen „in schicksalsloser Zeit“.

Im Klartext: Zwei Nieten im Job haben, als nichts mehr ging, ihr privates Elend offensiv in den Ring geworfen und damit noch einmal die Kurve gekriegt. Applaus! Applaus! „Ein neuer Typ von Politikern, bei denen die Fragen von Sexualität und Wahrheit die von Geschichte und Gesellschaft abgelöst haben“, nennt das der Soziologe Bude. Was für ein Quatsch!

Die beiden Großstadtfürsten haben überhaupt nichts angefangen mit ihrer besonderen Chance, sondern sich tatsächlich ihrem so genannten Schicksal gebeugt, jeder in den engen Grenzen seines Milieus. Und zu keinem Moment haben sie begriffen, dass ihr Privates mehr ist als privat.

Der eine, der Berliner, hat sehr lange gebraucht, bis er rausrückte, und es brauchte den Druck von außen, die Angst vor den fiesen Schlagzeilen der Boulevardpresse, die ihm seine politische Karriere verderben wollte. Das brachte ihn zum Reden, und es hat dann noch lange gedauert, bis er verstanden hat, wovon er sprach. Jetzt ist er installiert als Everybodys Darling, der sein eigenes Image eng verknüpft hat mit dem seiner Stadt: offen für die Welt, tolerant und ganz Trümmerfrau mit Blick nach vorn. Mythos Berlin von innen wie von außen.

Der andere, der Hamburger, hat bis heute noch kein deutliches Wort gefunden. Dass die Öffentlichkeit von seiner besonderen Art erfuhr, hat er seinem politischen Kumpel Ronald Schill zu verdanken, der ihn damit über den Tisch ziehen wollte, und seinem Vater. Von Beust ist stumm geblieben, dabei mit dem Lächeln einer Sphinx. Das lieben die Hamburger, und genau deshalb hat ihn das hanseatische Establishment gekürt: weil er so schön diskret sein kann und kein unfeines Wort über die Lippen bringt.

Wahrlich, die zwei geben nichts her als schwule Strahlemänner, sind weder – mal die Onkel-Tom-Sprache bemüht – „offene Schwule“ oder „bekennend“, nicht im Sinne emanzipatorischer Emphase, nicht als Vorbild im Individuellen und auch nicht als politisches Konzept für das Kollektiv einer homosexuellen Minderheit. Doch das ist Bude egal. Seine klischeegetränkte Vorstellung vom schwulen Mann und dessen vermeintlicher Fähigkeit, sich am eigenen Schopf aus der Scheiße zu ziehen, ist ihm nur schnell zurechtgeschusterte Metapher für seine Kunst der Spekulationssoziologie. Wir wissen nichts, haben aber von allem unsere Bilder. So wie das vom Schwulen, eine oberflächliche Gestalt, weinerlich und sensibel.

Was wird beispielsweise aus Klaus Wowereit, wenn er kein Regiermeister mehr ist? Und – so Budes Fantasie – Sabine Christiansen ihn auch noch fallen lässt? Nichts bleibt, nur Schwäche, meint Bude. Und von Beust? Der hockt – noch so eine Soziologen-Fantasie – nach seinem grandiosen Wahlerfolg einsam in seinem Single-Appartement und hört Chopin. Oder die Pet Shop Boys? Nein, schwule Politiker haben uns demnach gar nichts zu bieten außer ihrem kleinen Lore-Roman, der in dieser Saison noch taugt zum Stimmenfang. Und beim nächsten Mal müssen wieder ganz andere Reize ran, der die Menschen an die Wahlurne treibt. Homosexuelle kommen nicht gut weg bei Heinz Bude, das Bild, das er von ihnen mit sich trägt, weist in keinerlei Moderne, wie er behauptet, sondern weit zurück in eine Zeit der Scham, der Verklemmtheit, des Verborgenen.

Es bleibt die Frage: Warum sind es just zwei schwule Männer, die hierzulande populär sind als Bürgermeister, als Politiker? Obwohl wir gelernt haben, damit kommt man nicht weit. Obwohl wir erlebt haben, dass Schwule bislang öffentlich nur geduldet wurden als Entertainer oder TV-Koch oder Zampano der Mode. Jetzt sind gleich zwei schwule Politiker am Ruder, jeder weiß, dass ihr Geheimnis kein Geheimnis ist, und die Welt ist noch immer nicht untergegangen und Sodom immer noch weit. Genau das ist der Stand der Dinge, und mehr ist auch nicht zu erwarten, nicht von dieser Gesellschaft und nicht von diesen beiden Herren. Popularität wird ihnen gewährt, weil die Menschen besoffen sind im Gefühl ihrer überbordenden Toleranz. Dass einer schwul ist und sie ihn dann doch nicht der Stadt verweisen, halten sie – und da sind sie wie Heinz Bude – für die Erfüllung einer Vision, ihrer Vision. Sie halten an diesen beiden schwulen Politikern fest, um festzuhalten an ihrem Selbstbild, in ihnen habe sich was bewegt. ELMAR KRAUSHAAR