Stalking – mehr Aufklärung gefordert

Gerade haben wir uns daran gewöhnt, dass in Deutschland Menschen gemobbt werden. Nun kommt ein neuer Begriff auf uns zu: Stalking. So wird das böswillige und wiederholte Verfolgen und Belästigen einer Person bezeichnet

Nächster Woche veranstaltet das Institut für kriminologische Sozialforschung an der Universität Hamburg eine Studienwoche zum Thema Stalking. Informationen scheinen notwendig zu sein. Die Sozialpädagogin und angehende Kriminologin Julia Bettermann von dem Hamburger Institut berichtet von einer Befragung: Von 75 Befragten konnten nur 7 den Begriff in etwa definieren.

Anders in den USA, wo Stalking so zusammengefasst wird: das beabsichtigte, böswillige und wiederholte Verfolgen und Belästigen einer Person, das deren Sicherheit bedroht. Der Begriff des Stalking basiert auf dem englischen Verb „to stalk“, leitet sich aus der Jägersprache ab und bedeutet „pirschen, anschleichen oder das Einkreisen der Beute“. Daneben gibt es die Bedeutungen „in einer bedrohlichen Weise mit langsamen, steifen Schritten gehen“ sowie „sich schweigend und bedrohlich bewegen, wie zum Beispiel Angst, die durch die Stadt zieht“, die zur Begriffsbestimmung des Ursprungsverbs gehören.

Bettermann zitiert eine Untersuchung aus den USA. Danach werden 8 Prozent aller Frauen und 2 Prozent aller Männer irgendwann in ihrem Leben einmal Opfer von Stalking werden. Zwar ließen sich diese Zahlen nicht direkt auf deutsche Verhältnisse übertragen, sie böten aber eine Orientierung, was das Vorkommen von Stalking angeht. In Deutschland gibt es für Opfer bisher keine spezialisierten Hilfsangebote. Es ist davon auszugehen, dass sich Geschädigte, wenn sie Hilfe suchen, an allgemeine Beratungsstellen, Interventionsprogramme für häusliche Gewalt, Juristen, die Polizei und Ärzte wenden.

Stalking ist nach den Worten der Sozialpädagogin von häuslicher Gewalt und Mobbing zu unterscheiden, auch wenn es Schnittstellen zu diesen beiden Feldern gibt. Beim Stalking kann der Täter der ehemalige Partner sein; in der Untersuchung „Stalking in America“ werde angedeutet, dass unter Umständen gar der gegenwärtige Partner Täter sein könne.

Parallelen zwischen Stalking und Mobbing beschreibt Julia Bettermann so: In beiden Fällen werde das Opfer durch die Verhaltensweisen des Täters beunruhigt und belästigt, und: Im deutschen Recht gibt es weder für Stalking noch für Mobbing eigene Straftatbestände.

Die Unterschiede sind: Stalking bezieht sich auf den Privatbereich, Mobbing auf das Arbeitsverhältnis. Zudem geht Mobbing über einen längeren Zeitraum als Stalking.

Beim Mobbing können mehrere Handelnde auftreten, während es beim Stalking nur einen Täter gibt. Auch die Motivation der Täter ist eine andere. Schließlich lässt sich Mobbing mit dem Wechsel des Arbeitsplatzes beenden. Stalking hingegen endet häufig nicht mit dem Wechsel des Lebensmittelpunktes.

Neben einer Internet-Umfrage der Technischen Universität Darmstadt zum Thema läuft gegenwärtig eine erste repräsentative Studie in Mannheim. Verantwortlich für die vom Deutschen Ring geförderte Untersuchung ist Harald Dreßing, Leiter der Abteilung für forensische Psychiatrie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit. Ergebnisse werden voraussichtlich Mitte des Jahres vorliegen.

Stalking ist nach Einschätzung des Arztes „zunehmend häufig – es reicht von Belästigung und schwerer Körperverletzung bis hin – ganz selten – zu Todesfällen“. Geplant seien in Mannheim ein Therapiemanual und eine erste Anlaufstelle.

Nach Aussagen von Harald Dreßing gibt es mehrere Typen von Stalkern, darunter auch der Täter, der seine Opfer aus Rache in Angst und Schrecken versetzen will. „In dieser Gruppe finden sich häufiger paranoide Personen. Eine bevorzugte Zielgruppe sind Ärzte und Rechtsanwälte, von denen der Stalker sich in irgendeiner Weise falsch beraten oder behandelt glaubt.“

Da aus lernpsychologischer Sicht bestimmte Verhaltensweise des Opfers weiteres Stalking-Verhalten verstärken können, sollten Betroffene, so Dreßing, einige grundsätzliche „Anti-Stalking-Regeln“ beachten: 1. nur eine, dafür aber unmissverständliche Erklärung, dass kein Kontakt gewünscht wird; 2. Ignorieren weiterer Kontaktangebote; 3. Herstellen von Öffentlichkeit, das heißt Information der Nachbarn, Kollegen und Freunde; 4. Dokumentation aller Vorkommnisse; 5. bei Telefonterror: alte Telefonnummer nicht abmelden, sondern damit die Stalking-Anrufe aufzeichnen, aber nicht entgegennehmen. Gespräche unter einer Geheimnummer annehmen; 6. Anzeige bei der Polizei.

Harald Dreßing hält es für notwendig, das therapeutische Personal etwa in Kliniken über das Thema, adäquate Reaktions- und Verhaltensweisen sowie mögliche Hilfsangebote zu informieren, „da es zu den Risikogruppen für Stalking gehört“. Und: „Es ist davon auszugehen, dass das Thema Stalking auch in Deutschland in den nächsten Jahren sowohl in der Psychiatrie als auch in der Rechtsprechung zunehmend Bedeutung gewinnen wird.“ WERNER LOOSEN