Schröders Chefsache vor dem Aus

Mit dem Bombardier-Werk in Ammendorf droht Halle seinen größten Arbeitgeber zu verlieren. Eine Rettung ist wenig realistisch: Bereits vor zwei Jahren wurde der Standort mit öffentlichen Geldern aufwendig vor einer Schließung bewahrt

AUS DRESDENMICHAEL BARTSCH

Eine Sondersendung im Fernsehen des MDR, längere Berichte bei der ARD, ein Internet-Chat der Mitteldeutschen Zeitung und heute ein Krisengipfel mit Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD): Die Resonanz auf die Schrumpfungspläne des weltgrößten Schienenfahrzeugbauers Bombardier in Sachsen-Anhalt ist heftig.

Dabei geht es nicht nur um 750 Arbeitsplätze im Waggonbau Halle-Ammendorf, mit denen weitere 500 bei Zulieferern wackeln. Mit der beabsichtigten Schließung des Werks verlöre Halle seinen größten Arbeitgeber und seine letzte industrielle Hoffnung. Und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verlöre ein weiteres Stück seiner verbliebenen Reputation. Im Januar 2002, ein Vierteljahr vor den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und neun Monate vor den Bundestagswahlen, hatte er die schon damals beabsichtigte Schließung des Werkes zumindest vorübergehend abwenden können.

Heute fühlen sich die teils wütenden, teils ratlosen Waggonbauer von allen Seiten „verarscht“. Zuerst vom kanadischen Bombardier-Konzern. Nach der Betriebsversammlung am Mittwoch erklärte Betriebsratsvorsitzender Reiner Knothe, er sehe „keinen plausiblen Schließungsgrund“. Vielmehr habe Bombardier seine Zusagen nicht eingehalten, Ammendorf auch als Service- und Wartungsstandort zu entwickeln. Auch von einer bevorzugten Auftragsvergabe der Deutschen Bahn kann nicht die Rede sein. Die Bundesregierung zieht sich hier lediglich auf verbesserte allgemeine Bedingungen für das Bahn-Investitionsprogramm durch Änderung der Vergabeverordnung zurück.

Das Magdeburger Wirtschaftsministerium will für den Fall des endgültigen Scheiterns aller Erhaltungsbemühungen deshalb 13 Millionen Euro Fördermittel von Bombardier zurückfordern. Nach Schröders Intervention seien noch einmal indirekte öffentliche Fördermittel in Höhe von 7,5 Millionen Euro geflossen: Im Zuge der Rettungsaktion hatten sich die Stadt Halle und das Land gemeinsam zum Kauf des nicht mehr betriebsnotwendigen „Werk 1“ zu diesem Preis verpflichtet. Dieses ist inzwischen saniert und als Gewerbegebiet mit mittlerweile 250 Arbeitsplätzen revitalisiert.

Lampe zeigt sich gegenüber erneut angekündigten Rettungsversuchen der Bundesregierung skeptisch. Ähnlich äußerte sich auch Rüdiger Pohl, Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle IWH. Auch der Protest der Belegschaft werde gegen eine schwache Auslastung von 55 Prozent nichts ausrichten. „Ein großes internationales Unternehmen lässt sich von der Politik nicht leiten, wenn Überkapazitäten bestehen“, sagte er. Zwar verstehe er die politische Intervention des Kanzlers, könne sie aber als Ökonom nicht billigen. „In ein bis zwei Jahren könnte Ammendorf an der gleichen Stelle wie heute stehen“, sagte er damals. SPD und Gewerkschaften kritisierten ihn dafür heftig.