Lob der Standardsituation

Nach dem 2:1-Erfolg über Schalke 04 kann sich Werder Bremen am kommenden Samstag auf dem Gladbacher Bökelberg aus eigener Kraft die Teilnahme am lukrativen UEFA-Cup sichern

taz ■ Es war Udo Lattek, der große deutsche Weißbier-Philosoph, der zur Winterpause, als Werder ziemlich weit oben stand in der Tabelle der Fußball-Bundesliga, die Situation der Bremer in einen knackigen Aphorismus goss: „Netter Tabellenplatz. Aber vergessen Sie es. Wird auf Dauer nix. Die Kohle fehlt.“ Lange Zeit schien es so, als solle der olle Udo recht behalten und Werder Bremen nach einer ziemlich verkorksten Rückrunde tatsächlich in das triste Niemandsland der Tabelle abrutschen.

Doch dann kamen die Erfolge gegen die Großen: Dortmund, Hertha und Meister Bayern wurden weggeputzt, und am vergangenen Samstag gab‘s als Zugabe noch ein 2:1 über die „Königsblauen“ aus Schalke, den direkten Konkurrenten im Kampf um den Einzug ins internationale Fußballgeschäft. Und weil die Berliner zeitgleich in Wolfsburg gepatzt hatten, fand sich der SV Werder um Viertel nach Fünf plötzlich auf Rang 5 der Bundesliga-Tabelle wieder – und damit auf einem UEFA-Cup-Platz.

Es war überhaupt ein schönes Fußballfest im Weserstadion, vor der imposanten Kulisse von 39.000 Zuschauern, nur gestört dadurch, dass mit neunzigminütiger Penetranz ein Flugzeug über die Arena segelte, das ungebeten Wahlwerbung für die DVU und ihren Spitzenkandidaten machte. Der feierlichen Stimmung der Werder-Fans tat es keinen Abbruch, dass die Tore von Angelos Charisteas (22.) und Johan Micoud (57., traumhafter Freistoß) durch beziehungsweise nach Standardsituationen erzielt wurden. Es störte das Publikum auch nicht, dass der französische Mittelfeld-Regisseur oftmals allzu selbstgefällig über den Rasen trabte und Werder sich mit leichtsinnigem Getändel unnötig in Gefahr brachte. Und ebensowenig störte, dass Schalke über weite Strecken die besseren Chancen hatte und mehrmals an dem reflexfreudigen Schlussmann Pascal Borel scheiterte.

Nach dem Spiel dann der Auftritt der beiden Manager: Klaus Allofs und Rudi Assauer. Beide in feinstes Tuch gekleidet, beide dunkelhaarig und leicht grau meliert. Doch da enden auch schon die Parallelen. Da ist zum einen der schillernde, sonnen(bank)gebräunte, notorisch zigarrenrauchende Rudi, der sein Team jüngst als „Sauhaufen“ beschimpft hat und für die kommende Saison mit der Verpflichtung des Trainer-Irrwischs Christoph Daum liebäugelt. „Es war noch nie so leicht, Vizemeister zu werden wie in diesem Jahr“, röhrt Assauer nach der Pleite in Bremen – und jetzt muss Schalke auf den UI-Cup hoffen. Assauer ist das furchtbar peinlich. „Wir ham das einfach verbaselt.“ Ob er der Mannschaft irgendwelche „Psychotricks“ mit auf den Weg gegeben habe? „Wie, Psychotricks?“, sagt Assauer, und seine Nasenflügel fangen an zu beben: „Psyche ist, wenn Du auf den Platz gehst und dich einmal in der Woche neunzig Minuten konzentrierst. Das wird man von Profis erwarten dürfen.“ Und was hält der Schalke-Manager von Micoud, dem Weser-Zidane? „Der gefällt mir schon länger, das is‘n guter Kicker.“

Das prollige Wort „Kicker“ für seinen filigranen Regisseur Micoud würde Assauers Bremer Kollege Klaus Allofs wohl nie über die Lippen bekommen. Der softe Schwiegersohn-Typ, eher ein rhetorischer Leisetreter, ergeht sich gerne in Andeutungen oder flüchtet sich in feinsinnige Ironie. Klar werde die Teilnahme am internationalen Geschäft „Auswirkungen auf einige Verträge haben“. Schmunzeln. Auf welche, verrät Allofs nicht. Gewiss gebe es eine Prämie für die Spieler, wenn Werder Rang fünf halten kann. Doch wie hoch die sein wird? „Da müsste ich nachschauen“, sagt Allofs. Und lächelt. Nein, man kann und will ihn sich nicht mit Zigarre im Mundwinkel vorstellen. Genausowenig wie Thomas Schaaf. In den letzten Spielen habe seine Mannschaft „richtig tollen Fußball angeboten“, sagte Schaaf am Samstag, und das war für einen wie ihn bereits ein hochemotionaler Ausbruch. Man liege, was den Saisonverlauf angehe, „im absoluten Soll“. Mit einem Sieg in Mönchengladbach am letzten Spieltag wäre die UEFA-Cup-Teilnahme gesichert. „Die Chance haben wir, wir können‘s aus eigener Kraft schaffen.“ Markus Jox