Das differenzierte Finish

Im Berliner Ensemble wird die lange überfällige Debatte um die Collection von Friedrich Christian Flick angestoßen. Die Forderung, den Mäzen mit seiner Ausstellung ganz aus der Stadt herauszuhalten, findet allerdings keine Fürsprecher

In Berlin wie in Zürich zu verfahren und es Friedrich Christian Flick unmöglich zu machen, seine Sammlung in der deutschen Hauptstadt zu zeigen – diese Forderung wurde gestern bei der ersten öffentlichen Podiumsdiskussion zur so genannten Flick-Collection von niemandem erhoben. Sollte der Fakt, dass der Deal zwischen dem in der Schweiz lebenden Millionär und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz schon längst unter Dach und Fach ist, diesen Aktivismus von vornherein ad absurdum geführt haben?

Eher schien es so, als hätte die „gruppe 10“, ein loser Zusammenschluss von im Falle Flick interessierten Bürgern, die die Diskussion im Berliner Ensemble initiiert hatte, andere, den Betroffenen sicher nicht weniger unangenehme Vorstellungen, Flicks glamourösen Berliner Auftritt ein differenzierteres Finish zu geben. Schon dass die von Lea Rosh, unter anderem Vorsitzende des Förderkreises für das Holocaust-Mahnmal, moderierte Veranstaltung stattfand, zeugt von Hartnäckigkeit und politischer Wachheit. Denn das abgrundtiefe Schweigen, das die politischen Strippenzieher im Hintergrund wahrten, bis die Sache unterschrieben auf dem Tisch lag, lässt den Verdacht, hier sollte eine zu frühzeitige, öffentliche Diskussion unter allen Umständen verhindert werden, nicht unbegründet erscheinen.

Die Betroffenen allerdings, wie der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, die Vorsitzende des Kulturpolitischen Ausschusses, Monika Griefahn, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Antje Vollmer oder Kulturstaatsministerin Christina Weiss waren nicht auf dem Podium. Genausowenig wie Friedrich Christian Flick selbst, wie Peter-Klaus Schuster, Direktor der Staatlichen Museen, oder Klaus Peter Lehmann, Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Stattdessen saßen da Kultursenator Thomas Flierl (PDS), Alice Ströver, kulturpolitische Sprecherin, Bündnis 90/Die Grünen, Christoph Stölzl, ehemals Kultursenator, der Historiker Harald Wixforth, der an der Aufarbeitung der NS-Geschichte der Dresdner Bank arbeitet, Hilde Schramm von der Stiftung „Zurückgeben“ und Eberhard Radczuweit von der „Soforthilfe Ehemalige Zwangsarbeiter“. Würde eine begleitende Dokumentation der Geschichte der Familie Flick taugen, das Politikum zu reflektieren? Würde eine Kontextualisierung, indem die Museen generell mehr Auskunft über ihre Stifter geben, wie Thomas Flierl vorschlug, helfen? Und schließlich, wenn Flick mit seiner Potsdamer Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz tatsächlich vielen guten Projekten auf den Weg hilft, wie Hilde Schramm, Tochter von Albert Speer sagte, wäre es da nicht richtig, wenn die Flick-Archive endlich der Forschung zugänglich gemacht werden? Sie könne jedenfalls dieses Unter-Verschluss-Halten nicht mit der Programmatik der Stiftung hinsichtlich der NS-Vergangenheit in Einklang bringen, wo es doch heißt: „Gegen jede Tendenz des Vergessens, der Verharmlosung und Leugnung des Verbrechens anzukämpfen, ist ein Grundanliegen der Stiftung.“

WBG