stimme der korrektur: dilletanten im mittelmeer
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Manchmal bauen wir Fehler ein, wo fehlerfrei geschrieben war. Zum Beispiel, als wir durch die Beseitigung des Bindestrichs zwischen Bar-Mizwa aus dem jüdischen Fest zur Einführung Jugendlicher in das religiöse Leben eine Bar mit dem Namen Mizwa erzeugten. Dazu in einer Synagoge.

So etwas geschieht in Stressphasen, die sich bei uns in der Regel von morgens bis abends durchziehen. Beim Lesen genau an dieser Stelle unterbrochen (Anruf: Wie wird al-Dschasira geschrieben? Könnt ihr die Überschrift ändern? Es gibt acht Sonderseiten, die noch heute korrigiert werden müssen …), und schon ist es passiert. Leserinnen haben sich gottlob nicht beschwert, aber die Redaktion stand Kopf.

Falsch jedoch von einer Redakteurin war, „Dilletanten am Werk“ als Überschrift zu wählen (das ist nicht inhaltlich gemeint). Eine Kollegin schlug zwar noch vor, es könne sich vielleicht um die Einwohnerinnen der Petersilieninseln auf der Straße von Gibraltar handeln. Das sind die Felsbrocken, die kürzlich im Strom imperialistischer und subimperialistischer Rivalitäten zwischen Spanien und Marokko lagen – um die Kontrolle des westlichen Zugangs zum Mittelmeer. Da die einzige Bevölkerung dort aus ein paar Soldaten besteht, mussten wir diese Idee zurückweisen, ein l streichen und ein t ergänzen. Bei Sattelit machen wir es umgekehrt.

Auf der östlichen Seite des Mittelmeeres kämpfen wir weiterhin mit sinnvollen Umschreibungen. Entschieden wurde, die israelische Tageszeitung Ha’aretz mit einem Betonungszeichen auszustatten, weil sie nicht Haar-etz, sondern Ha-aretz gesprochen wird. Die Schreibung „Mosul“ für die ölreiche kurdische Stadt an der Grenze zu Syrien ist dem Englischen entlehnt, deshalb erhält das scharf gesprochene s einen Zwilling – Mossul, auch wenn der Duden beides erlaubt. Ha’aretz übrigens meldete kürzlich, dass der israelische Infrastrukturminister vorgeschlagen hat, eine seit 1948 stillgelegte Ölpipeline, oder Ölleitung, von Mossul über Syrien nach Haifa am Mittelmeer wieder in Betrieb zu nehmen – um dort einmal ein Rotterdam des Nahen Ostens entstehen zu lassen.

„Ich denke, wir vermuten Massenvernichtungswaffen in Syrien“, murmelte kurz darauf der Imperator George W. Bush. So etwas lassen wir nur als Zitat durchgehen. Eine Redakteurin würden wir sogleich anrufen und um Aufklärung über die Substanz des Denkens und Vermutens bitten, damit sich die Leserinnen nicht im erdölgesättigten Nebel dilettantischer Formulierungen über dem Mittelmeer verirren.

ROSEMARIE NÜNNING