MIT DEM RUF NACH NEUWAHLEN TÄUSCHT SICH DIE OPPOSITION SELBST
: Schröders Karawane zieht weiter

Glaubt man der Opposition, kann sich Kanzler Gerhard Schröder schon mal nach einem neuen Job umschauen. Weil der gebeutelten Bayern-SPD bei der Landtagswahl im September weitere Einbußen drohen, hält CSU-Chef Edmund Stoiber Neuwahlen im Bund für unausweichlich. Auch die FDP-Granden Westerwelle und Gerhardt sprachen auf ihrem Parteitag über den baldigen Sturz von Rot-Grün, als sei Schröders Kanzlerschaft schon Geschichte.

Allerdings haben die 18-Prozent-Strategen eine Kleinigkeit übersehen: Die Aussicht auf vorzeitige Neuwahlen ist hierzulande ungefähr so realistisch wie das Projekt einer liberalen Volkspartei. Nur zweimal in der Geschichte der Bundesrepublik endete eine Legislaturperiode vorzeitig, und in beiden Fällen – bei Brandt 1972 und bei Kohl 1983 – war es der Bundeskanzler selbst, der seine Niederlage im Parlament mutwillig herbeiführte.

Warum aber sollte Gerhard Schröder das tun? Innerhalb des Regierungslagers hat sich die Debatte um seine „Agenda 2010“ längst in Richtung einer eigenen rot-grünen Mehrheit im Bundestag entwickelt. Von der bayerischen Landtagswahl, bei der kein Mensch einen SPD-Sieg erwartet, wird ein derart gestärkter Kanzler kaum zu beeindrucken sein. Mehr noch als tagespolitisches Kalkül hilft aber ein Blick auf die Kanzlerschaft Helmut Kohls.

In jeder der vier Wahlperioden, die Kohl als Regierungschef erlebte, schien seine Lage zur Halbzeit aussichtslos. Im Rückblick erinnern die Stichworte fatal an die Diskussion unserer Tage. Fast immer ging es um neue Rekorde bei der Arbeitslosigkeit, um halbherzige Renten- oder Gesundheitsreformen, um festgefahrene Debatten in Sachen Zinsbesteuerung oder Spitzensteuersatz. Und bei den Landtagswahlen gab es auch damals Jahre, in denen sich für die Regierungspartei Niederlage an Niederlage reihte.

Zugegeben: Im Jahr 1990 rettete den CDU-Kanzler die deutsche Einheit, die lässt sich nicht beliebig wiederholen. Bei den übrigen Wahlen aber profitierte Kohl vor allem davon, dass die SPD-Opposition mit ihrer K-Frage nicht zurande kam. Es waren die Querelen um Hans-Jochen Vogel bis Rudolf Scharping, die das Wahlvolk dann doch stets hinter dem bewährten Kanzler versammelte.

Schröder kann sich also beruhigt zurücklehnen, solange Unionspolitiker wie Stoiber emsig an der Demontage der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel arbeiten. Will der Bayer der Union im Bund wieder an die Macht helfen, sollte er sich an seine Worte vom vergangenen November erinnern. Damals riet er den Parteifreunden, „sich auf vier Jahre Opposition einzustellen“. RALPH BOLLMANN