Die Faust in der Tasche geballt

Robert Fleck, Leiter der Hamburger Deichtorhallen, geht zur finanziell deutlich besser ausgestatteten Bonner Bundeskunsthalle. Wie weit der politisch ambitionierte Ausstellungsmacher in das konservativ-brave Haus passt, weiß er wohl selbst noch nicht

Sein Abgang nach Bonn kommt plötzlich, aber kaum überraschend. Dass es es Robert Fleck nicht auf Dauer genügen würde, die Hamburger Deichtorhallen zu leiten, war schon länger klar. Nicht, weil das Haus ihm nicht renommiert genug wäre, auch nicht, weil es an ausstellungswilligen Künstlern mangelte. Nein, das Dilemma der beiden ehemaligen Großmarkthallen gründet sich auf ihrer finanziellen Lage: Die erlaubt maximal drei Ausstellungen jährlich. Zudem müssen sich die auf Gegenwartskunst spezialisierten Deichtorhallen ständig neu profilieren, um zu bestehen neben Hamburgs Kunsthalle und Kunstverein, beide in Sichtweite gelegen.

Angesichts solcher Kluft zwischen Anspruch und Möglichkeit ist es für Fleck nur konsequent, zu wechseln – schon im Januar wird er Chef der Bonner Bundeskunsthalle. Das gab er am Dienstag bekannt. Für den 51-Jährigen ist das also nicht nur ein Karrieresprung. Der Wechsel befreit ihn auch von finanziellen Fesseln: Die 5.600 Quadratmeter große Bundeskunsthalle hat einen Jahresetat von 16 Millionen Euro, die 6.000 Quadratmeter großen Deichtorhallen haben mit 2,6 Millionen auszukommen.

Ob Fleck indes in das eher historisierende, manchmal auch recht brav ins Zeitgenössische driftende Profil des Bonner Hauses passt? Zu eigenwillig ist der Kurator, der in Hamburg immer wieder politisch Ambitioniertes bot und beispielsweise Pierre Bourdieus Fotos aus dem Algerienkrieg erstmals nach Deutschland holte. Auch die Ausstellung über Autor und Ethnograph Hubert Fichte und seine Lebensgefährtin, die Fotografin Leonore Mau, war kaum etwas fürs konservative Publikum. Manches hat der gebürtige Wiener gar von der Peripherie Europas herbei gezerrt. Den jungen Albaner Anri Sala zum Beispiel, dessen gleichermaßen poetische wie systemkritische Videos im Jahr 2004 nur wenige kannten.

Dann wiederum hat Fleck auch Ausstellungen gezeigt, die die Massen zogen: Die aktuelle Balkenhol-Schau ist so eine, die gefälligen Fotos schöner „Traumfrauen“ eine andere. Manchmal suchte sich der Deichtorhallen-Chef auch durch Humor und spektakuläre Formate hinweg zu retten über die Kluft zwischen intellektuellem Anspruch und Mainstream: mit den Arbeiten des süffisanten Künstlerduos Fischli/Weiss etwa oder den schrägen Installationen Erwin Wurms. Auch die Präsentation des Enfant Terribles Jonathan Meese war eine wohl kalkulierte Wanderung.

Wie weit dieses Taktieren den Zuschauerzahlen geschuldet war, steht dahin. Politisch jedenfalls kann man Fleck weder der Feigheit noch des Opportunismus bezichtigen: Studiert hat er unter anderem an der Pariser Sorbonne, bei Deleuze, Foucault und Baudrillard. Promoviert über die französische Revolution und die Rolle der Künstler beim Bau der Demokratie. Er hat Kritiken geschrieben, Ausstellungen kuratiert, auch im Auftrag der österreichischen Regierung. Als dort der Rechtspopulist Jörg Haider an die Macht kam, rief Fleck im Februar 2000 Künstler öffentlich und international auf, nicht mehr in Österreich auszustellen.

Dass Fleck später als Direktor der Kunsthochschule im französischen Nantes auf regionaler Ebene mit Abgeordneten des Rechtspopulisten Le Pen konfrontiert wurde, mag da eine Ironie seiner Vita sein. So wie auch die Tatsache, dass ihn 2004 mit Kultursenatorin Dana Horáková eine einstige Bild-Redakteurin an die Hamburger Deichtorhallen holte.

Noch merkwürdiger ist da vielleicht nur, dass Fleck über die riesigen Hamburger Finanzlecks hinweg lächelte und sogar den geschmacklosen Heißluft-Ausflugsballon, der seit Jahren vor den Deichtorhallen steht, als PR-Maßnahme für sein Haus verkaufte. Das passte so gar nicht zum feinsinnigen Anspruch. Aber vermutlich ballte Fleck einfach die Faust in der Tasche – und schwieg, bis er etwas Besseres fand.

Das Bonner Erbe ist dabei durchaus pikant: Wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten war Intendant Wenzel Jacob Ende 2007 entlassen worden; die Ermittlungen laufen noch. Fleck löst den Interimsintendanten Christoph Vitali ab. Und dass der neue Chef mit den Mitteln aast, braucht in Bonn niemand zu befürchten: Sparen hat Fleck bei den Hamburger Kulturpolitikern gelernt.

PETRA SCHELLEN