Böllerbeats statt Barenboim

Mal ein bisschen die Hochkultur aufmischen: Am Donnerstagabend eröffnete in der Staatsoper Unter den Linden der Club Apollo Saal seine Tore. DJ Acid Pauli legte auf, und man versuchte, sich angemessen danebenzubenehmen

Eine „Neudefinition der Räumlichkeiten der Staatsoper“, eine „Begegnung von hochkarätiger Subkultur und Hochkultur“ hatte die Ankündigung vollmundig versprochen: Am Donnerstagabend öffnete in der Staatsoper Unter den Linden zum ersten Mal der Club Apollo Saal seine Türen. Eine neue Veranstaltungsreihe, die nun alle paar Wochen Pepp ins Berliner Clubleben bringen soll, organisiert von der Tri GmbH, den Machern der WMF Nachtbar im Café Moskau. Musikalisch wie visuell stand der Abend ganz im Zeichen des Mash-ups: Ein Techno-Rave in Barockambiente, unter Kronleuchtern statt Discokugeln.

Für Gesprächsstoff war gesorgt: Am Rand der Tanzfläche stand, wie immer mit weißem Anzug und junger Begleiterin, Ku’damm-Playboy Rolf Eden („Mein Gott, sieht der fertig aus!“), an der Bar bestellte Richie Hawtin, weltbekannter Techno-DJ, Drinks („Sein blonder Pony wird ja immer länger!“), mittendrin zappelte Ralf Regitz, rechte Hand von Dr. Motte bei der Love Parade („Warum zieht der seine Sonnenbrille nicht aus?“), etwas abseits sah man Schauspieler Jürgen Vogel („Der ist ja noch viel kleiner, als ich dachte!“).

Der Rest des Publikums – junge Szene-Schönheiten mit groß gepunkteten Taftröcken, Limited-Edition-Sneakers oder interessanten Brillengestellen – wirkte wie per Shuttlebus aus dem Keller des Café Moskau einmal um die Ecke gekarrt. Ein Betriebsausflug in die heiligen Hallen der Hochkultur: „Hurra, wir trampeln auf dem Staatsoper-Parkett herum!“

Die interessanteste Brille von allen trug allerdings Acid Pauli alias Martin Gretschmann, unter dem Namen Console auch verantwortlich für das Elektronik-Backing der Weilheimer Band The Notwist, für Björk-Produktionen und Depeche-Mode-Remixe. „For God Con Soul, For Me Your Flash!“ hieß sein Programm an diesem Abend, zunächst hielt er allerdings eine Ansprache, in der er sich grinsend dafür entschuldigte, dass ja eigentlich nicht er, sondern der Intendant der Staatsoper, Peter Mussbach, eine Ansprache hatte halten wollen. „Er hat wohl kalte Füße bekommen. Und jetzt viel Spaß!“

Gretschmanns folgendes Laptop-DJ-Set schlug vor all den bemühten „Subkultur-meets-Hochkultur“-Wortwindungen, die im Vorfeld die Vermutung nahe gelegt hatten, dass es beim Club Apollo Saal eher steif zugehen würde, einen flotten Haken. Mit dem schamlosen Mash-up-Mix aus Böllerbeats und streng genommen viel zu bekannten Pop-Melodien: Eminem, INXS, Wyclef Jean, Daft Punk. Doch für die recht bizarre Szenerie „schrilles Szene-Volk vor barock-opulenter Marmor-und-Gold-Kulisse“ war solch ein Style-Clash wohl der perfekte Soundtrack.

Einen Teil des Publikums animierte Gretschmann dann auch zu begeistertem Hüpfen, nicht wenige – vor allem diejenigen, die sich fälschlicherweise auf die „echte“ Console-Band gefreut hatten – allerdings auch zu genervtem Augenrollen. Einige von ihnen sahen sich daraufhin genötigt, ihr Amüsement kurzerhand darin zu suchen, an einem der Kronleuchter im Gang vor dem Saal Klimmzüge zu üben. Was dann allerdings den sofortigen Rausschmiss zur Folge hatte.

JAN KEDVES