Der einfachste Weg des Terrors

Mit Anschlägen auf wenig geschützte Ziele wie Hotels beweisen Terrorgruppen, dass mit ihnen noch zu rechnen ist. Sie zeigen aber auch ihre Schwäche

aus Kairo KARIM EL-GAWHARY

Vor „hundert neuen Bin Ladens“ hatte der ägyptische Präsident Hosni Mubarak vor dem Irakkrieg gewarnt. Seine pessimistische Prophezeiung scheint jetzt einzutreffen. Nach den Anschlägen in Saudi-Arabien und Marokko fürchtet man sich auch im Land am Nil. Ein neues Zeichen dafür ist die sichtbar verstärkte Polizeipräsenz in Vierteln, in denen viele Ausländer leben.

Dabei ist Ägypten selbst noch nicht einmal genannt auf einem Tonband, auf dem angeblich die Stimme Bin Ladens aufgezeichnet wurde und das vom arabischen Fernsehsender al-Dschasira letzten Februar ausgestrahlt worden ist. Darin ist von der amerikanischen Versklavung von Regierungen die Rede, die vom Islam abtrünnig geworden sind und die befreit werden müssten, um Gottes Herrschaft auf Erden zu errichten. Namentlich genannt sind nicht nur Saudi-Arabien und Marokko, sondern auch Jordanien, der Jemen, Pakistan und Nigeria.

Fraglich ist allerdings, ob al-Qaida überhaupt noch als Terrornetzwerk oder nur noch als Ideologie existiert, der inzwischen zahlreiche militante islamistische Kader in der Region folgen, ohne operativ von einer Befehlsgewalt oder Planungsinstanz geleitet zu werden.

Die Zeit ist günstig für deren neue blutige Taten. Der Krieg im Irak hat einmal mehr das arabische Gefühl der Niederlage und Machtlosigkeit verstärkt. Nachdem während des Irakkriegs nichts geschehen ist, scheinen diese Kader jetzt ihre Existenz unter Beweis stellen zu wollen, wenngleich bisher weniger spektakulär als beim 11. September. Die Anschläge in Riad und Casablanca könnten ein Hinweis darauf darstellen, dass al-Qaida oder deren Nachfolgeorganisationen es derzeit schwer haben, gut ausgebildete Kader zu finden, die Attentate in den USA oder in Europa auszuführen.

Stattdessen gehen sie den einfachsten Weg, um zu zeigen, dass mit ihnen noch zu rechnen ist. Zellen in der arabischen Welt suchen sich in einer für sie logistisch einfachen Umgebung „weiche Ziele“, die relativ ungeschützt sind. Es ist der Weg des geringsten Widerstandes, aber auch gleichzeitig ein für die militanten Islamisten gefährlicher Pfad. Denn sie ziehen sie sich damit den Ärger der öffentlichen Meinung in jenen Ländern zu, die sie letztendlich für sich gewinnen wollen und die für ihre weitere Rekrutierung den wichtigsten Nährboden darstellt. Was in Saudi-Arabien und Marokko geschehen ist, traf nicht nur westliche Ausländer oder das angeblich „ungläubige Regime“, sondern auch die Bevölkerung selbst.

Das Ganze erinnert ein wenig an das Ägypten der 90er-Jahre, als militante Islamisten ein Jahrzehnt lang für Schlagzeilen sorgten. Doch es wurde zunehmend komplizierter, die schwer bewachten Repräsentanten des Staates oder den Sicherheitsapparat direkt anzugreifen. Dazu kam, dass die massiven Verhaftungswellen über die Jahre dazu führten, dass nur noch die dritte oder vierte Garde, weitgehend unkoordiniert nicht gerade politisch-strategisch zu Werke ging. Auch sie suchten sich zunehmend einfachere Ziele. Mit brutalen Attentaten gegen relativ ungeschützte Touristen versuchten sie den Staat an seiner Achillesferse zu treffen. Das Ergebnis war auch aus ihrer Sicht verheerend. Nach dem Anschlag von Luxor, bei dem sie 58 Urlauber bestialisch abgeschlachtet hatten, verloren sie in dem Land, in dem jeder zehnte Arbeitsplatz vom Tourismus abhängt, endgültig jegliche gesellschaftliche Unterstützung. Dies führte – zusammen mit dem repressiv reagierenden Staatsapparat – dazu, dass sie zumindest zeitweise von der Bildfläche verschwanden. Seit dem Massaker von Luxor 1997 gab es keinen einzigen Anschlag mehr gegen Touristen in Ägypten.

Übertragen auf das internationale Terrain und die jetzige Konzentration der Attentate auf die arabische Welt, bedeutet dieses Szenario sicherlich nicht das baldige Ende des Terrors. In Ägypten hatte es mehrere Jahre gedauert und über tausend Tote gekostet, bis sich die militanten Islamisten tatsächlich politisch in der Gesellschaft isoliert hatten. Dazu kam das Problem der totalen Unberechenbarkeit. Je näher sie sich operativ ihrem Ende näherten und je mehr die ersten und zweiten Kader in den Gefängnissen saßen, desto unkalkulierbarer agierte der Rest. Die letzten operativen Jahre der militanten ägyptischen Islamisten erwiesen sich als die mit Abstand blutigsten.