berliner ensemble
: 50 Jahre Amour fou

Wenn es selbst einem Egomanen wie Claus Peymann schwer fällt, bei jeder sich bietenden (und nicht bietenden) Gelegenheit sein Haus und Brechts Berliner Ensemble (BE) nicht in einem Atemzug zu nennen, dann muss an dem „Mythos BE“ etwas dran sein. Natürlich weiß auch der Theaterdirektor Peymann, dass die Last des Vergleichs drückt. Doch die wertschöpfende „Marke“ Brecht für sich und die Bühne auszuschlachten scheint besser. Wie überhaupt die Frage erlaubt sein muss, ob selbst nach einem halben Jahrhundert BE jemand am Gründer des Ensembles vorbeikommen will.

Kommentar von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Denn wohl kaum ein Theater in Berlin lebt bis heute – neben dem revolutionären Stil des modernen „Bühnenklassikers“ Brecht – von Legenden wie das BE am Schiffbauerdamm. Als heute vor 50 Jahren Brecht das „Berliner Ensemble“ als Spielstätte in dem seit 1892 bestehenden neobarocken Haus gründete und „Don Juan“ sowie der „Kreidekreis“ als Premieren gegeben wurden, rangierten gleich zu Beginn der Star Brecht, seine Eskapaden und das Ideal sozialistischer Theaterarbeit auf gleicher Höhe wie die Inszenierungen selbst. Anders gesagt, sie waren der eigentliche „Talk of the Town“.

Sicher, Bert Brecht und Helene Weigel, Hanns Eisler und Paul Dessau als Komponisten oder Therese Giese und Ernst Busch als Schauspieler bildeten Maßstäbe. Aber spricht heute noch jemand über den jungen Benno Besson, der in einer legendären Inszenierung damals den „Don Juan“ auf die Bühne brachte?

Das BE war und bildet bis dato schon immer ein anderes Symbol. Es ist der Trotz gegen die Gängelungen des DDR-Kulturbetriebs, obwohl sich der paradoxerweise auch mit ihm schmückte. Es war das Haus, vor dem der Intendant mit weißem Mercedes vorfuhr, junge Schauspielerinnen abschleppte und böse Briefe an Walter Ulbricht schrieb. Auch die Weigel und nach ihrem Tod 1971 Ruth Berghaus sortierten sich als „Blumen in der rauen Landschaft“ wie Christoph Hein ausposaunte – und niemand widersprach. Das BE blieb die Amour fou in der biederen kulturellen Aufbauleistung des Arbeiter-und-Bauern-Staates. Was will man mehr?

Und heute? Peymann spinnt diese weiter. Seine Ausfälle gegen alles und jeden gehören zum Programm. Chapeau.