Ufa-Fablik, ni hao!

„Hallo, Ufa!“, sagen ab morgen die Taiwaner. Sie haben die alternativen Stadtplaner und Kulturmanager aus Tempelhof eingeladen. Ufa soll ihr Konzept und nachhaltige Projekte vorstellen

„Taiwaner beschäftigen sich sehr mit gesellschaftlichen Initiativen“

VON HILMAR POGANATZ

25 Jahre nach der Besetzung der Ufa-Filmkopierwerke am Tempelhofer Damm hat das inzwischen fest etablierte Internationale Kulturzentrum Ufa-Fabrik ein außergewöhnliches Geburtstagsgeschenk erhalten. Weniger als drei Monate vor der großen Party wird das in der Ufa-Fabrik angesiedelte Institut für kreative Nachhaltigkeit (id22) zu einer Präsentation in Taipeh eingeladen. Ziel: Die Berliner Alternativen sollen in Taiwans Hauptstadt ihr Erfolgskonzept vorstellen und den Gastgebern ihre Projekte für nachhaltige Entwicklung und Bürgerbeteiligung erklären.

„Taipeh hat uns eingeladen, an der Veranstaltungsreihe Global Artivists Participation Project teilzunehmen“, sagt Michael LaFond, id22-Vorstand, nicht ohne Stolz. Die Projektreihe soll alternative Nutzungskonzepte für einen kontrovers diskutierten Stadtteil am Rand von Taipeh vorstellen, erläutert der amerikanische Stadtplaner. „Genau wie die Ufa ist auch der Schatzhügel einmal illegal besetzt worden und soll jetzt mit Leben und Kultur gefüllt werden.“ Dabei sollen die drei Abgesandten der Ufa-Fabrik in den kommenden drei Wochen behilflich sein, indem sie etwa das Konzept des Nachbarschafts- und Selbsthilfe-Zentrums NUSZ vorstellen.

In der 2,6-Millionen-Einwohner-Metropole werden die Berliner unter anderem auf Ma Ying-jeou treffen, den juvenilen Bürgermeister der Stadt, dem – wie seinen Vorgängern – beste Chancen für das nicht ungefährliche Amt des Präsidenten eingeräumt werden. Ma und ein Arbeitskreis suchen nach westlichen Inspirationen für den Bezirk Treasure Hill, der seit einem nie vollstreckten Abrissbefehl vor über zehn Jahren Gesprächsstoff liefert. Die Berliner bilden den Schlusspunkt eines Reigens von Gästen aus Finnland, Japan, Indonesien und den USA.

LaFond betont, dass es sich bei dem slumähnlichen Viertel anders als bei dem alten Fabrikgelände am Berliner Teltowkanal um einen ganzen Stadtteil handelt, der nicht im „klassischen“ Sinne besetzt wurde, sondern vielmehr in Gänze illegal entstanden ist. Nachdem 1949 rund zwei Millionen republikanische Chinesen vor der Kommunistischen Partei auf die vor China liegende Insel Taiwan geflohen waren, siedelten sich in der Zeit des jahrzehntelangen Ausnahmezustands etwa 300.000 Flüchtlinge in Taipeh an. Schnell wuchs auf dem alten Schatzhügel vor der Stadt, auf dem bis dahin nur ein buddhistischer Tempel und ein Park verzeichnet waren, völlig unkontrolliert ein Stadtteil für arme Leute, Studenten und Künstler heran. Der dekadente Charme der Holzhäuser und engen Gässchen ist heute eine beliebte Kulisse für Filmemacher und soll nach den Vorstellungen von Studenten erhalten bleiben, um günstigen Wohnraum zu bieten.

„Die Studenten wollen natürlich Cafés und Theater entstehen sehen, aber die Stadt möchte herausfinden, wie so etwas wirtschaftlich betrieben wird“, erzählt LaFond, der sich in Berlin mit seiner Vision vom „Hafen der Kulturen“ am Tempelhofer Hafen einen Namen machte.

Wie so ein Projekt aussieht, demonstriert die Ufa-Fabrik seit über zehn Jahren mit ihrer Mitgliedschaft im Netzwerk Res Artis – artists in residence. Das 1993 im Künstlerhaus Bethanien gegründete Netzwerk von Künstlerlaboratorien könnte auch in Taipeh für Aufwertung und Belebung sorgen. Res Artis umfasst schon heute 197 Gästehäuser in 51 Ländern. „Die Taiwaner beschäftigen sich intensiv mit informellen gesellschaftlichen Initiativen“, sagt Rudolf-Brünger, Geschäftsführer der Ufa-Fabrik, der in Taiwan schon mehrmals Konferenzen besucht hat.

Im Rahmen einer Liveschaltung wird der Ufa-Geschäftsführer sogar virtuell an einer Veranstaltung mit Taipehs Bürgermeister teilnehmen, während LaFond mit seinen zwei Mitarbeitern und Gastgeber Kang Min-Jayvon von der Uni Taipeh bereits in der nächsten Woche vor Ort ein provisorisches Nachbarschaftszentrum als Basis für weitere Aktionen eröffnen will.

Das Ufa-Institut id22 ist auch federführend in dem internationalen Netzwerk für Kreative Nachhaltigkeit, in dem neben der Grünen Liga Berlin Partner aus sechs europäischen Ländern organisiert sind, um die Ziele der UN-Entwicklungs-Agenda 21 voranzutreiben. „Taiwan hat auch aus politischen Gründen ein großes Interesse an internationalen Partnerschaften“, sagt LaFond. Aber auch für die Ufa-Fabrik sei es wichtig, neue Partner und Ideen zu finden.