Das „I have a dream“-Team

Mit ihrer Kombination von HipHop und Country verbinden der US-Rapper Bubba Sparxxx und sein Produzent Timbaland die Utopie eines New South

Bubba Sparxxx posiert nicht in Limousinen, sondern lieber auf einem echten Traktor

von TOBIAS RAPP

Das Erste, was einem an Bubba Sparxxx auffällt, sind seine riesigen, fleischigen Unterarme. „NEW“ ist in großen blauen Lettern auf den rechten tätowiert, „SOUTH“ auf den linken. Hält er sie nebeneinander, und das tut er mit gebotener Entschlossenheit gerne, vor allem, wenn die Kamera eines Videoclip-Regisseurs ihn filmt, strahlt einem Bubbas Glaubensbekenntnis entgegen. Darum geht es ihm, um den „Neuen Süden“. Die Hautfarbe der Arme ist weiß. Das ist zwar auch für einen Rapper mittlerweile so ungewöhnlich nicht mehr. Im Falle von Bubba Sparxxx ist sie aber doch eine Besonderheit: Er versucht den Beweis anzutreten, dass man sich auch als Redneck aus den Tiefen der Wälder von Georgia hinstellen und über HipHop-Beats seine Geschichte erzählen kann.

„Deliverance“ (Interscope/ Universal) heißt Sparxxx’ neues Album, in den USA ist es bereits im vergangenen Sommer erschienen, in Europa kommt es nun heraus. Wie sein Debüt ist es zum Großteil von Timbaland produziert, jenem Überproduzenten des HipHop, der unlängst noch in einem Interview mit der New York Times verkündete, HipHop langweile ihn, weil er in dieser Musik keine kreative Herausforderung mehr entdecken könne. Tatsächlich hat Timbaland für dieses Album sein Sounddesign weiter geöffnet als jemals zuvor. „Deliverance“ feiert die Utopie eines Neuen Südens, wo die Hautfarbe keine Rolle mehr spielt und wo Countrymusik und HipHop zwei gleichberechtigte Stränge einer uramerikanischen Folklore sind.

Bubba Sparxx und Timbaland sind das „I have a dream“-Team des HipHop. „Ich habe einen Traum“, hatte Martin Luther King in seiner berühmten Rede 1963 gerufen, „dass sich eines Tages die Söhne ehemaliger Sklaven und die Söhne ehemaliger Sklavenhalter auf den roten Hügeln von Georgia zusammen an den Tisch der Bruderschaft setzen werden können.“ Timbaland stammt zwar aus den grünen Tälern von Virginia, aber „Deliverance“ hört sich tatsächlich an, als sei sie an einer Konsole der Bruderschaft produziert worden. So ingeniös Bubba Sparxxx die Stereotype des urbanen HipHop mit denen des ruralen Südens verschmilzt, so fantastisch erledigt Timbaland den Herkules-Job, HipHop-Tracks auf der Basis von Country- und Bluegrass-Stücken zu produzieren.

Da gibt es das Brother-On-The-Run-Motiv, der im Fall von Bubba eben nicht durch den Dschungel einer Großstadt flieht, sondern mit Bibel und Gewehr auf dem Beifahrersitz über die Landstraßen des Südens brettert. Wenn es ein Partytrack sein soll, dann hüpft er wie nach dem Rhythmus eines Squaredance: „To the common man and the end of his oppression / Welcome in our church don’t forget your collection“. Für das Booklet posiert Bubba genrekompatibel mit einem Gewehr in der Hand – nur eben nicht in dem heruntergekommenen Hinterhof eines Sozialwohnungsblocks, sondern im Wald. In seinen Videos fährt er auch nicht in teuren Autos herum, sondern lässt sich auf einem Traktor ablichten.

Dieses ständige Oszillieren zwischen Country-Konvention und HipHop-Pose wird von Timbaland adäquat in Musik übersetzt. Viel ist in den letzten Jahren auf der Suche nach abgelegener Musik in den Archiven der Welt gekramt worden. Auf eine Idee wie in „Comin’ Round“, einen HipHop-Track auf der Basis eines Yonder-Mountain-Boys-Samples zu errichten, ist aber noch niemand gekommen.

Nun sollte man ob der guten Geschichte, dass hier ein Redneck aus den Tiefen der Wälder von Georgia sich mit einem der erfolgreichsten HipHop-Produzenten zusammentut, nicht vergessen, dass die schwarze Musik der Südstaaten nie so ausschließlich von schwarzen Musikern gemacht wurde. Die Rhythmusgruppe des legendären Stax-Labels, also die Musiker, die dem Southern Soul der Sechziger jenen besonderen rauen Sound verliehen, der bis heute als besonders „schwarz“ empfunden wird, bestand zu zwei Dritteln aus weiße Bauernlümmeln wie Bubba Sparxxx.

Doch das war im Dunkel des Studios. Im gleißenden Licht der medialen Scheinwerfer heißt es, sich als weißer Rapper immer wieder aufs Neue ins Verhältnis zu den komplizierten Repräsentationsbeziehungen der „schwarzen“ Musik zu setzen. Doch es ist nicht Bubba Sparxxx’ Hautfarbe, die „Deliverance“ zu einem so ungewöhnlichen Album macht. Es ist die durchgedrehte Experimentierfreude und die hart erarbeitete Schönheit dieser Musik.