Schüsse in Taiwan

Kurz vor der heutigen Wahl werden Präsident Chenund Vizepräsidentin Lu bei Wahlkampfauftritt verletzt

BERLIN taz ■ Auf den offenen Wagen von Taiwans Präsidenten Chen Shui-bian und Vizepräsidentin Anette Lu sind gestern Nachmittag bei einem Wahlkampfauftritt in Chens Heimatstadt Tainan Schüsse abgefeuert worden. Chen wurde in den Bauch getroffen und Lu ins Knie, berichtete Taiwans staatliche Nachrichtenagentur CNA.

Die Schüsse waren zunächst nicht bemerkt worden, weil sie erfolgten, als Anhänger Chens Feuerwerkskörper zündeten. Chen merkte erst durch Blut auf seinem Hemd, dass er getroffen worden war, so CNA. In ersten Meldungen hatte es geheißen, Präsident und Vizepräsidentin seien von Knallkörpern getroffen worden. Über die Täter gibt es noch keine Erkenntnisse.

Chen und Lu wurden sofort in ein Krankenhaus gebracht, das sie einige Stunden später kommentarlos verließen. Zuvor hatte Chen die Inselbewohner zu Ruhe aufgefordert und den Wahlkampf seiner Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) für beendet erklärt. Diesem Schritt schloss sich auch der Kandidat der oppositionellen Kuomintang (KMT), Lien Chan, an. Die für heute angesetzten Wahlen sollen planmäßig stattfinden. Das Militär auf der dem chinesischen Festland vorgelagerten taiwanischen Insel Kinmen wurde in Alarmbereitschaft versetzt.

Entlarvend dürfte für viele Taiwaner Chinas Reaktion auf die Schüsse gewesen sein. Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und droht mit Krieg, sollte sich die Insel für unabhängig erklären. Das streben Chen und seine Partei langfristig an. Gestern blieb Chinas Regierung zunächst stumm und untersagte offenbar den Medien, das Attentat zu vermelden. SVEN HANSEN

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