Irre Geschichten

Marie und der Fuchs

„Du hast mich noch nie in der Zeitung erwähnt!“, beschwert sich Marie, und sie hat Recht. Bisher gab es ja auch keinen Grund. Denn Marie hat die Ruhe weg. Als ich letztens in einer Dokumentation über die Reeperbahn eine Käsehändlerin über den seit 24 Jahren erlebten Alltag in ihrem Geschäft sprechen hörte, fühlte ich mich an Marie erinnert: „Hier is noch nie was Großartiges passiert. Dreimal wurde ich überfallen, und einmal wurde ein Anschlag mit einer Splitterhandgranate auf mich verübt, aber ansonsten ist es hier wie überall anders auch!“

Doch man erlebt ja immer wieder Überraschungen. Ich wunderte mich zum Beispiel, als ich erfuhr, dass Didi Hallervorden eine Privatinsel vor der französischen Atlantikküste sein eigen nennt oder Franz Josef Strauß einst der KPD beitreten wollte. Ein rosa Erleuchtungsstrahl traf mich auch, als ich las, dass die Mutter von Uma Thurman (nebenbei die Erfinderin oder zumindest Weiterentwicklerin der subtilen Erotik) mit Timothy Leary liiert und Philip K. Dick ihr Patenonkel war. So in etwa fühlte ich mich auch, als ich die – bis heute nicht offiziell bestätigte – Geschichte von Marie und dem Fuchs zum ersten Mal hörte. Marie hatte ihren Schlüssel verloren und streunte nachts durch den Prenzlauer Berg auf der Suche nach ihrem Bruder. Es muss eine furchterregende Nacht gewesen sein, anders ist nicht zu erklären, wie es so weit kommen konnte. Als sich die Wege von Marie und Reineke Fuchs trafen, griff sie in unvermittelter Panik zur erstbesten Waffe, die sie in ihrer Handtasche fand, und legte los. Sollte Ihnen in letzter Zeit im Bereich Mitte/Prenzlauer Berg ein nach Axe-Deo riechender Fuchs mit roten Augen begegnet sein, wissen Sie jetzt, warum. JURI STERNBURG