Im Vakuum der Ideen

Arbeitsmarktpolitik am Scheideweg: Die Starken bleiben bei der Bundesanstalt für Arbeit, die Schwachen bei den Kommunen – und der ganze große Rest? Träger klagen über Ideenlosigkeit bei hohem Zeitdruck: Ab 2004 sollen Neuregelungen gelten

taz ■ „Desillusioniert“ sei er aus der Hauptstadt zurückgekehrt, erklärt Claus Wittgrefe, Geschäftsführer des Förderwerks, eines Bremer Trägers, der Beschäftigungsmaßnahmen organisiert. Desillusioniert, weil auch in Berlin keine Klarheit darüber herrsche, wie es weitergeht mit der Arbeitsmarktpolitik. Wittgrefe und neun Kollegen aus Bremen hatten eine Tagung zum Thema besucht. Wie solle man in Bremen die Zukunft planen, wenn es nicht mal Ideen auf bundespolitischer Ebene gebe?

44.000 Menschen waren im April als arbeitslos registriert – 17.000 von ihnen beziehen Arbeitslosenhilfe, sind also länger als ein Jahr arbeitslos. Besonders um die Chancen dieser Gruppe und die der rund 10.000 arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger – beide Gruppen sollen ab 2004 als Empfänger des Arbeitslosengeld II zusammengefasst werden – sorgen sich die Beschäftigungsträger. Schon jetzt beobachten sie, dass das Arbeitsamt die in ihrer Zahl und Dauer um die Hälfte reduzierten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen vor allem an Arbeitslosengeldempfänger vergibt – womit die Bundesanstalt für Arbeit (BA) für sie nicht mehr zahlen muss (die taz berichtete). Die eigentliche Zielgruppe aber, die Langzeitarbeitslosen, werden vernachlässigt. Künftig wird für diese Gruppe wohl der Bund zuständig sein. Von dort aber „kommen keine Ideen, wie mit den Menschen umgegangen werden kann“, so Petra Reinhardt, Geschäftsführerin des Verbands Bremer Beschäftigungsträger, „die BA ist sichtlich angewidert von der Vorstellung, sich weiter um diese Zielgruppe zu kümmern.“ Und die Kommunen seien froh, wenn sie „die Last der arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger endlich los sind“. Um zehn Milliarden Euro werden die Kommunen entlastet – Bremen, für das bei Bund-Land-Relationen die Faustformel „Ein Hundertstel“ gilt, rechnet wegen seiner relativ hohen Zahl von Sozialhilfeempfängern mit einer Entlastung weit über dem Hundertstel, was immerhin schon 100 Millionen Euro sind.

In dem derzeitigen Vakuum der Ideen fürchten die Träger um ihre Strukturen – inzwischen organisieren nur noch zwölf von einst 18 Trägern öffentlich geförderte Beschäftigung. Wie es mit dem 30 Millionen Euro schweren Landesprogramm „Hilfen zur Arbeit“, aus dem die Maßnahmen für Sozialhilfeempfänger finanziert werden, weitergeht, ist ihnen unklar. „Die Dinge sind geregelt bis Ende dieses Jahres. Danach steht alles in den Sternen“, sagt Claus Wittgrefe. „Bevor der Bund das nicht ablöst, wird bei uns nichts gestrichen“, erklärt dazu Arnold Knigge, Staatsrat im Arbeitsressort.

„Nicht jeder Arbeitslose kann schnell wieder eingegliedert werden“, sagt die CDU-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Dreyer, „es gibt Leute, die brauchen ein bisschen mehr Zeit.“ Die CDU werde sich vor allem für Schwerbehinderte, Jugendliche und Frauen stark machen.

Für Anja Stahmann von den Bremer Grünen sollte kommunale Beschäftigungsförderung zum einen Brücke in den ersten Arbeitsmarkt sein, „aber auch Perspektiven für die Menschen bieten, die dort nicht unterkommen.“ Stahmann verweist auf ein jüngst vereinbartes Sonderprogramm für Langzeitarbeitslose der rot-grünen Bundesregierung – es soll helfen, die kommunalen Beschäftigungsprojekte am Leben zu erhalten.Susanne Gieffers

„Schöne neue Hartzwelt? Integration oder Ausgrenzung von Arbeitslosen“ – darüber diskutieren heute Arbeitssenatorin Karin Röpke (SPD), Karoline Linnert (Grüne) und Karl-Uwe Oppermann (CDU) von 17 bis 19 Uhr in der Arbeitnehmerkammer, Bürgerstraße 1, es moderiert Elke Heyduck (taz bremen). Veranstalter ist der Paritätische Wohlfahrtsverband.