Schlachtfeld Bildung

Mit Kunst und Kunstblut protestieren Studierende vor dem Rathaus gegen den Kulturdarwinismus

von SIMONE ROOSKAMP

Blut auf den Stufen zum Roten Rathaus. Ein öffentliches Abschlachten wie im dunklen Mittalter: Da zerfetzen sich junge Menschen gegenseitig ihre Hemden und Hosen, schlagen ihr Gegenüber mit der Faust zu Boden und jagen sich rund um den Vorplatz, bis sie hechelnd niedersinken. Ein Sensationsfotograf springt dazwischen, geht ganz nah ran an die Verletzten und „hält drauf“, erbarmungslos. Von zwei Seiten zerren Streitende an einem Tau, bis der Schwächere verliert und mit der Nase im Dreck landet.

Eine Schlacht alle gegen alle, die Fronten zwischen Freund und Feind verschwimmen. Dann das Finale: Die Schlachter setzen ihre Messer an, stechen zu, mehrmals und mit weit ausholender Geste. Die Opfer sinken auf der Treppe nieder, zucken und verkrampfen schließlich im Todeskampf. Einige kriechen noch zum Rathauseingang, bis vor die Füße der Polizisten, die dort Wache halten. Blut sickert in das historische Kopfsteinpflaster.

Das Blut war bloß aus Ketchup und Traubensaft, der inszenierte Kampf hingegen spielt sich jeden Tag in der Hauptstadt ab: Schlachtfeld Bildung. Kulturdarwinismus, ein Kampf jeder gegen jeden. Dies ist das Szenario, das anscheinend gewünscht wird, so verkünden die mittlerweile blutverschmierten Akteure auf ihren Flugblättern. „Konkurrenzdruck und Ellbogenmentalität bestimmen den Alltag heute stärker als alles andere“, erzählt Studentin Gudrun Donath. Mit der spektakulären Performance protestierten gestern rund hundet Studierende, angeführt von der Kunsthochschule für Gestaltung in Weißensee, gegen geplante Etatkürzungen. Die Prüfung durch eine Expertenkommission hatte zwar kürzlich ergeben, dass die Autonomie der Berliner Kunsthochschulen erhalten bleiben solle. Empfohlen hatten die Experten aber auch, den Studiengang Architektur an der Kunsthochschule Weißensee einzustellen. „Erst klein hacken, dann abschaffen“, befürchten die Studenten nun. Daher auch der Zeitpunkt der Kunstaktion und der gleichzeitigen Proteste: Während der Bildungskrieg tobte, beriet drinnen der Finanzauschuss über den nächsten Haushalt. „10,5 Professorenstellen sollen allein an der Kunsthochschule Weißensee wegfallen“, weiß Donath. Für die kleinen künstlerischen Unis, so auch die Hochschulen Ernst Busch und Hanns Eisler, bedeute das den kompletten Zusammenbruch.

Der Kollaps der Bildung, für viele Studenten ist es ein ganz persönlicher, zumal auch hohe Studiengebühren immer wahrscheinlicher werden. Donath: „Viele müssen weg aus Berlin, weil das Studium einfach zu teuer wird.“ Und so glich auch der Abzug vom Rathausvorplatz einem Trauerzug: Wie geprügelte Hunde humpelten die blutverschmierten Bildungskämpfer von dannen. Geschlagen geben wollen sie sich noch nicht.