Niederlage auf allen Ebenen

Nach dem 1:2 gegen Holstein Kiel deuten sich beim FC St. Pauli Verluste an: Der des Trainers, des Images, der Fans und der Ligazugehörigkeit

Hamburg taz ■ Bevor FC St. Pauli-Präsident Corny Littmann am Samstag nach der Pressekonferenz den Heimweg antrat, wollte er schnell noch mal Franz „tschüß“ sagen. Die 1:2-Heimniederlage in der Fußball-Regionalliga gegen Holstein Kiel offenbarte die grausame Missratenheit des Fußballstils, der St. Pauli derzeit prägt. Einen nachhaltigen Abschied vom sportlichen Verantwortlichen Franz Gerber gab es dennoch nicht. Noch nicht – wie man dem Umfeld entnehmen kann. Denn dass ein Team, das mit einem Etat, welcher im oberen Drittel der Liga liegt, nun gegen den Abstieg kämpfen muss, stellt niemanden zufrieden, dem das Wohl des Vereins am Herzen liegt.

Das galt bis vor kurzem wenigstens noch für den politischen Teil der Fans des Vereins, die sich mit einem Stimmungsboykott nun aber auch von ihrem Präsidium abwenden. Gegen sechs Anhänger wurde nicht einmal 24 Stunden vor der Partie gegen Kiel ein befristetes Stadionverbot verhängt – ohne Begründung. Ein Vorgehen, das für den Verein bislang völlig unüblich war und zu Protesten während des Spiels geführt hat.

Bislang unterstellte sich der Verein immer dem Anhörungsrecht. Dieses auch zu damaligen Bundesligazeiten einzigartige Recht räumt auch auffällig gewordenen Anhängern die Chance ein, sich zu rechtfertigen, bevor die drei internen Institutionen Fanclub, Fanladen und Sicherheitsbeauftragter des Vereins gemeinsam mit dem Präsidium eine Entscheidung finden.

Dieser interne Weg wurde „mit Füßen getreten“, äußerten sich die Anhänger, bevor sie teilweise das Stadion verließen und „Littmann raus“ skandierten. „Die interne Regelung hat seit Monaten nicht mehr geklappt“, sagt Littmann. Der Verein sei von der Polizei davon in Kenntnis gesetzt worden, dass eine Kooperation mit dem Fanladen und dem Sicherheitsbeauftragten nicht reibungslos funktioniere und der Verein deshalb aufgefordert wurde nach den Vorfällen in der AOL-Arena der vergangenen Woche – Sitze wurden in Brand gesteckt – und weiteren Vorfällen aus der Vergangenheit doch wieder „glaubwürdig“ mit der Polizei zu kooperieren.

Der Verein stützt sich dabei auch auf die Fans, die einen Ausschluss einzelner Randalierer im Forum befürwortet hätten. „Das Verhältnis zur Gewalt muss in einem internen Diskussionsprozess geklärt werden“ fordert Geschäftsführer Frank Fechner. Dem Verein lägen mehrere Vergehen der sechs Personen vor, die nicht unmittelbar mit dem Vorfall beim HSV zu tun hätten, aber von der Polizei ermittelt würden. Eine Benennung von Gründen gab es in den verhängten Stadionverboten indes nicht. „Es kann nicht der Weg des FC St. Pauli sein, Anhängern ohne Begründung ein Stadionverbot zu erteilen“, sagt Fanladenmitarbeiter Heiko Schlesselmann.

Dabei steht auch für ihn außer Frage, dass intern mit den Betroffenen und den Fanclubs geredet werden muss. „Wir stehen ständig in der Kommunikation mit den betroffenen Gruppen und haben auch Konsequenzen präsentiert“, so Schlesselmann.

So haben die Ultras St. Pauli ebenfalls in einem verteilten Flugblatt mitgeteilt, sich offiziell bei allen für die Aktion beim HSV zu entschuldigen und beteiligte Mitglieder aus ihrem Fanclub auszuschließen und auch eventuelle Stadionverbote mitzutragen. Die Fans stört vor allem, dass seitens des Präsidiums ein unüberlegter Schnellschuss getätigt wurde, der einer Willkür in Sachen Stadionverboten entspricht, gegen die im politischen Fan-Umfeld seit Jahren protestiert wird. „Intern ist längst klar, dass es Stadionverbote gegen einzelne geben würde. Und zwar berechtigte“, heißt es aus dem engsten Fan-Umfeld.

„Wir müssen da in der kommenden Woche dringend erneut mit unseren Fans reden“, weiß Vizepräsident Guntram Uhlig, der deeskalierend einwirken möchte. Die Frage ist nur, ob das Präsidium dazu noch kommen wird. Immerhin muss auch auf der sportlichen Ebene dringend eine Entscheidung herbeigeführt werden. Die Zeit wird knapp. OKE GÖTTLICH