Ewige Erlösungshoffnung

Slapstickartige, geistreiche Komik, die bürgerliche Fassaden en masse einreißt: Regie-Studienprojekt präsentiert „Dreier“, „Hund Frau Mann“ und „Menschenzoo“ im Thalia in der Gaußstraße

von Caroline Mansfeld

Oft verkommt der Witz zum sinnlosen Klamauk, zum flachen Ablachen über die, die betrogen in der Liebe, gemobbt im Beruf und sowieso schlechter im Leben weggekommen sind als man selbst.

Dass moderne Komik bissig sein und gleichzeitig Abgründe des bürgerlichen Alltags bloßlegen kann, zeigt das dritte Studienprojekt von Hamburger Regiestudenten im Thalia in der Gaußstraße. Erstklassige Texte, gute Ideen in allen Sparten und ein gleichermaßen kraftvolles Schauspiel- wie Regietheater. Was da von Hamburger Studierenden des Studiengangs Schauspieltheater-Regie sowie ihren Kollegen aus Kostüm- und Bühnenbild am Eröffnungstag unter dem Motto „Komik. Gegenwartsdramatik“ präsentiert wurde, lässt manche Diplominszenierung verblassen.

Regisseurin Marta Gil Polo zum Beispiel liest Jens Roselts pointierte Beziehungskomödie Dreier als Farce auf alle Ehe- und Betrugsstücke. Auf einem überdimensionalen Bett (Bühne: Sabine Kainz) fliegen die Federn und zwischen dem heimlichen Liebespaar (Oscar Diaz und Anne-Lotta Liebnau) ordentlich die Fetzen. Der Liebhaber ist ausgerechnet der beste Freund des (Ehe-)Mannes (Mario Ramos als übererregter Anwalt).

Sämtliche Schreckensszenarien einer Eheposse werden durchdekliniert und mit Lust am Slapstick persifliert. Einschließlich der Variante „Ehemann entdeckt Frau unterm Bett und zückt den Degen zum kleistschen Duell“. Dieses tragische Szenario wird zurückgespult, zugunsten der komischen Variante: Ehemann textet Freund mit Karrieremüll zu. Derweil die verborgene Gattin im Bettzeug ums Podest robbt.

Auch Hund Frau Mann, ausgeheckt von der bissigen Sibylle Berg, ist ein sehr starker Text. Eine böse Karikatur der um die 40-Jährigen ist es, die das Leben und das Glück seltsam übersehen zu haben scheint. Katrin Spranger sucht in ihrer Regie Distanz und Reduktion aufs Wesentliche, ohne dabei den Witz abzutöten.

Vor einer Matratzenrollwand (Bühne: Jendrik Helle) begegnen sich eine Frau (sehr komische Zicke: Alette Hinrichs) und ein Mann (Martin Dorr) an einem traurigen Sonntag, an dem das Fernsehprogramm sowieso öde ist. Ihre Zweisamkeit teilen sie mit einem Straßenköter (gekonnt süffisant: Felix Ströbel), der die Rolle übernimmt, das Scheitern des Liebesversuchs zu dokumentieren. Der endet höchst zynisch im öden Mittelmaß, da helfen auch Urlaube und Strapse nicht. Und wenn die Frau ihren kranken Mann am Ende in der Wohnung fesselt, lauern auch hier hinter der adretten bürgerlichen Fassade tiefe Abgründe.

Zum Brüller des Abends im Thalia in der Gaußstraße entwickelte sich allerdings die deutsche Erstaufführung von Menschenzoo des Autorenduos Hirzenberger/Gebhartl, inszeniert von Christine Eder. In einem Käfig vor violetter und türkiser Tapete (Bühne: Jil Bertermann) begegnen sich die Hubers, samt Sohn Elvis, und die Schneiders. Und frönen der förmlichen Nichtkonversation. Bis das Licht ein paar Mal ausgeht und – großartig gespielt von Thomas Butteweg, Jan Byl, Björn Gabriel, Max Mayer, Charlotte Pfeifer und Constanze Priester – auch hier Sehnsüchte nach nicht gelebter Sexualität, Spieltrieb und Sinnsuche an die Oberfläche drängen. Da wird der „Eskimo“ in der Ecke, eine Art Tier-Pflanze-Objekt, abwechselnd zum Sexspielzeug und zur Techno-Jukebox. Bis schließlich die Protagonisten, den Slip auf dem Kopf, nackt im Kreise kriechen und auf die Erlösung aus allen Zwängen wartet.

In seiner Eigenwilligkeit ist das nüchtern, überraschend und sehr slapstickhaft. Ein großer Spaß. Das Thalia hat sich damit einmal mehr als Brutstätte für hoffnungsvollen Theaternachwuchs erwiesen

nächste Vorstellung: „Dreier“/ „Hund Frau Mann“/ „Menschenzoo“, heute, 19.30 Uhr, Thalia in der Gaußstraße