die säulenschlacht von trafalgar von RALF SOTSCHECK
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Wenigstens kann man den Engländern nicht vorwerfen, überhastet zu handeln. Nach einer Debatte, die mehr als 160 Jahre dauerte, haben sie vorige Woche entschieden, was auf den vierten Sockel auf dem Londoner Trafalgar Square kommt: „Alison Lapper Pregnant.“ Es handelt sich um eine viereinhalb Meter hohe Statue aus weißem Marmor. Sie stellt die Künstlerin Alison Lapper dar, die 1965 Contergan-geschädigt ohne Arme und Beine auf die Welt kam. Als sie dem Bildhauer Marc Quinn vor zwei Jahren Modell saß, war sie im achten Monat schwanger.

„Ich sehe die Statue als modernen Tribut an das Feminine, an die Behinderung und an die Mutterschaft“, sagte Lapper. Bert Massie von der Kommission für die Rechte von Behinderten fügte hinzu: „Ich bin sehr stolz darauf, dass auf einer der größten touristischen Attraktionen Londons nun die mächtige Statue einer behinderten Frau zu sehen sein wird.“ Bisher war dort lediglich die übermächtige Statue eines behinderten Mannes zu sehen: Admiral Nelson, dem ein Arm und ein Auge fehlen.

Um Nelson auf seiner hohen Säule sind vier Sockel gruppiert, von denen drei seit dem Bau des Platzes Mitte des 19. Jahrhunderts mit unbekannten Generälen und einem unbedeutenden König besetzt sind: George IV., General Charles Napier und Henry Havelock, der sich im Indienkrieg hervorgetan hat. Im Englischen hieß dieser Krieg euphemistisch „Kampagne“ – wie alle Kriege, die die Engländer angezettelt haben. Der vierte Sockel blieb verwaist. William IV, der eigentlich dort oben stehen sollte, hatte nicht genügend Geld für die Statue hinterlassen.

Der Guardian verlangte nun, die Öffentlichkeit entscheiden zu lassen, wer auf den leeren Sockel darf. „Vertraut dem Volk“, schrieb das Blatt. „Es wird schon nicht die Spice Girls wählen.“ Nein, viel schlimmer: Das Volk wollte den Ehemann eines Spice Girls. Angestellte von Madame Tussaud’s hatten die Wachsfigur des schlichten Fußballers David Beckham während der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren unter dem Jubel der Passanten auf den Sockel gestellt. Da der parlamentarische „Beratungsausschuss für den vierten Sockel“ – dämliche Ausschüsse sind eine englische Spezialität – die Sache nicht genehmigt hatte, wurde Beckham wieder vom Sockel geholt. Dem englischen Team ging es kurz darauf in Japan gegen Brasilien ebenso.

Nun bekommt das Volk eine Statue, die zwar politisch korrekt, aber kein Kunstwerk ist. Es ist ein ebenso grauenhaft plattes Statement wie das der Mitbewerberin Sokari Douglas Camp, die eine Gruppe von stählernen Kriegsgegnern mit Fahnen und Bannern entwarf. Damit es auch die Beckhams dieser Welt verstehen, hat sie auf die Banner „No war“ eingraviert. Stalin hätte seine helle Freude an dem Werk gehabt. Stefan Gec plante stattdessen, zwei Tomahawk-Raketen aus britischer Eiche zu schnitzen und damit „das Konzept des Sieges im 21. Jahrhundert zu erforschen“. Wollte er sie auf die Downing Street richten? Der US-Künstler Chris Burden wollte originellerweise zwei identische Türme auf den Sockel stellen. Ein verwegener Plan. Da hätte man auch gleich Tony Blair zu den anderen Kriegsherren auf den vierten Sockel hieven können – wegen seiner Irakkampagne.