unterm strich
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Aufmerksamen Lesern wird es nicht entgangen sein: Es tut sich publizistisch was in der Hauptstadt. Wo man geht und steht schießen die Magazine wie kleine Pilze aus dem Boden. Und weil das Jahr noch jung ist, sind sie auch noch nicht in ihre Atome zerfallen, sondern atmen den erfrischenden Geist des unternehmerischen Optimismus. Jüngstes Beispiel: Cicero. Ursprünglich unter dem Arbeitstitel „Parsival“ von dem ehemaligen Welt-Chefredakteur Wolfram Weimer geplant, soll es diese Woche nun endlich an die Kioske kommen. Nicht ohne das übliche Tamtam selbstverständlich: 100.000 Exemplare sollen ausgeliefert werden, und es wird angestrebt, die meinungsbildende Zeitschrift aus der Hauptstadt zu werden. „Cicero ist ein gedruckter Salon, in dem sich Geist und Macht begegnen“, erläutert Weimer das Konzept. Die Liste der Autoren liest sich spektakulär und überraschungsfrei, wie sich ein ehemaliger Welt-Chef eben einen Salon vorstellt, in dem sich Geist und Macht begegnen: Schriftsteller wie Arthur Miller, Umberto Eco, Maxim Biller und Wladimir Kaminer; Publizisten wie Fritz J. Raddatz, Hellmuth Karasek, Alexander Gauland und Klaus Harpprecht; Politiker wie Madelaine Albright und Gesine Schwan. Im Interview sind Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundespräsidenten-Kandidat Horst Köhler und der Nobelpreisträger Milton Friedman zu lesen. Für die Fotografie ist Jim Rakete verantwortlich. Das Titelblatt der Erstausgabe wurde von Jörg Immendorff gestaltet. Nun ja. Finanziert wird das Ganze vom Schweizer Ringier-Konzern, dem größten Verlagshaus der Schweiz. Cicero also. Was für ein prätentiöser Titel. Aber es kann ja nicht jedes Druckerzeugnis einen so schlichten und einprägsamen, umfassenden und dünkelfreien Namen tragen wie die tageszeitung.