Weit entfernt von Titeln und Medaillen

In Dortmund beginnt heute die Eiskunstlauf-WM. Die deutschen Teilnehmer gehen lediglich als Exoten an den Start

DORTMUND taz ■ Erleichtert machte der Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union (DEU), Udo Dönsdorf, gestern Meldung: „Die Qualität des Eises wird von Stunde zu Stunde besser.“ Hinter jedem Wort ein gedachter Seufzer. Da trugen sich zuletzt höchst merkwürdige Dinge zu in der Dortmunder Westfalenhalle. Als sich die ersten Läufer vor ein paar Tagen zum Training für die heute beginnenden Weltmeisterschaften einfanden, da hatte die frisch aufgetragene Farbe kanadischen Fabrikats einen Ölfilm hinterlassen, der auf der Oberfläche des Eises Bläschen warf. Zudem hatte die neue, offensichtlich zu schwere italienische Eismaschine Risse ins Eis gehauen, und das war alles in allem nicht der passende Untergrund für die Meisterschaften der Besten der Welt. Doch das Organisationskomitee bewährte sich in der Stunde der Not: Es schickte Putzkolonnen aufs Eis, die mit Spülmittel den Ölfilm neutralisierten, und ließ eine bewährte Eismaschine aus Gelsenkirchen kommen. Und nun gibt es begründete Hoffnung, dass alles in Ordnung sein wird, wenn der erste Läufer Montagmorgen zur Kür-Qualifikation auf dem Eise erscheint.

Aber der Präsident der DEU, Reinhard Mirmseker, dachte vermutlich nicht nur an Bläschen und Risse, als er am Tag vor dem Beginn der Wettbewerbe sagte: „Ich kann nur hoffen und wünschen, dass uns relativ wenig daneben geht – wir haben uns viel Mühe gegeben.“ Bei aller Freude über den in den ersten Wochen dieses Winters entdeckten Aufwärtstrend der deutschen Läufer ist die Dortmunder Westfalenhalle nun mal ein Ort, bei dem sich Vergleiche mit der großen Vergangenheit geradezu aufdrängen. Bei zwei Weltmeisterschaften (1964 und 1980) und zwei Europameisterschaften (1983 und 1995) gewannen die deutschen Läufer aus West und Ost nicht nur acht Titel, sondern auch diverse weitere Medaillen. Damit kann diesmal niemand rechnen. Bei nur einem Startplatz in jeder Disziplin (Stefan Lindemann, Annette Dytrt, Fitze/Rex im Paarlauf und im Eistanz Winkler/Lohse) wird sich das Augenmerk auf jeden einzelnen Auftritt richten. Und die einzigen, denen man eine Chance auf eine Medaille hätte zutrauen können, Kati Winkler und René Lohse, haben es mit viel Mühe und Energie nach Lohses Knieverletzung vom Januar gerade noch nach Dortmund geschafft.

An der Erkenntnis, dass die Bedeutung einer Sportart fast nur noch über die aktuelle Zahl der Medaillen der Deutschen definiert wird, können auch die Eiskunstläufer nicht vorbei. Dennoch geben sie sich der Hoffnung hin, das Publikum wisse eine gute Leistung zu würdigen. Auch wenn an deren Ende nicht die deutsche Nationalhymne gespielt wird. DORIS HENKEL