Grüne Gleichstellungspolitik

betr.: „Streit übers Sorgerecht ohne Trauschein“, „Ein Rechtsweg zum Kind“, taz vom 6. 12. 08

Der politische Mut der grünen Bundestagsfraktion, eine Reform des Sorgerechts zu initiieren, verdient Anerkennung und Respekt. Inhaltlich ist es zwar absurd, dass ein Vater notfalls in einem familiengerichtlichen Parteienstreit gegen die Mutter seine Kooperationsfähigkeit mit eben derselben beweisen soll, um anschließend die elterliche Sorge gemeinsam auszuüben. Politisch könnte diese Initiative jedoch ein Impuls sein für eine moderne geschlechtsübergreifende Gleichstellungspolitik. Wenn sich ausgerechnet die Fraktion mit dem höchsten Frauenanteil (53 %) beim Thema Sorgerecht auf die Väter zubewegt, während die Linke (47 %), SPD (36 %), FDP (25 %) und CDU/CSU (20 %) mehrheitlich den Schwanz einziehen, dann sollten wir als Väteraufbruch für Kinder e. V. im ureigenen Interesse eine Frauenquote für alle Fraktionen fordern.

Ob die Grünen in der Gleichstellungspolitik zu dem Motor werden, der sie seinerzeit in der Umweltpolitik waren? Baustellen gäbe es dafür mehr als genug und nicht nur beim Sorgerecht. So will die Politik die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern, hat Eltern aber im Antidiskriminierungsgesetz keinen Schutz vor beruflicher Benachteiligung eingeräumt. Der kinderbedingte Karriereknick von Müttern soll auch durch väterliche Babybetreuung gemindert werden, aber partnerschaftlich erziehende und Teilzeit arbeitende Eltern werden beim Elterngeld finanziell benachteiligt. Und es müssen vertraute Anachronismen überwunden werden: Über Ministerinnen für „Frauen und Familie“ wundern wir uns erst, wenn wir uns gedanklich ihr männliches Pendant vorstellen: Minister für „Männer und Arbeit“. RAINER SONNENBERGER, Berlin

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