TARIFPOLITIK: DIE BUNDESLÄNDER FOLGEN DEM BEISPIEL DER WIRTSCHAFT
: Individualisierung des Staates

Der Ausstieg der Bundesländer aus der gemeinsamen Tarifpolitik mit Bund und Kommunen ist keine Katastrophe. Wahrscheinlich wird er zwar dazu führen, dass die Löhne der Landesbediensteten weniger steigen als die der Bundes- und Kommunalangestellten. Auf absehbare Zeit wird der Unterschied aber gering ausfallen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Länderfinanzminister ein wenig mehr finanziellen Spielraum erhalten, um ihre strapazierten Haushalte vor der Pleite zu bewahren.

Bisher verhandelten die 16 Bundesländer gemeinsam mit der Bundesregierung und den Verbänden der Städte über einen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Verhandlungspartner auf der anderen Seite ist die Gewerkschaft Ver.di. Nun wollen sich die Länder nicht länger der Verhandlungsführung des Bundesinnenministers unterordnen. Das ist verständlich, denn unterschiedliche Lebenslagen erfordern eben unterschiedliches Verhalten. Im Vergleich zu den Ländern beschäftigt der Bund nur wenige Mitarbeiter und ist deshalb – auch der politischen Ruhe wegen – eher bereit, höhere Lohnabschlüsse zu akzeptieren. Ver.di kam das natürlich gerade recht – und protestiert nun entsprechend.

Was jetzt passiert, ist die Erosion des traditionellen und einheitlichen Tarifsystems auch auf Ebene des Staates. In der Wirtschaft ist sie schon länger im Gange. Kompetenzen bei der Regulierung von Bezahlung verlagern sich mehr und mehr von oben nach unten. Öffnungsklauseln und die Anpassung an spezielle Bedürfnisse von Firmen und Regionen gehören mittlerweile zum normalen tarifpolitischen Instrumentarium, das auch Gewerkschaften akzeptieren.

Die Alternative dazu ist nur, den Flächentarifvertrag grundsätzlich in Frage zu stellen. Mit seinem Ausstieg aus der Tarifgemeinschaft hat das Land Berlin unlängst demonstriert, was das heißt. Der gemeinsame Abschied aller Länder dient auch als Versuch, den Ausreißer Berlin wieder einzufangen. Der Flächentarifvertrag kann nicht bleiben, wie er ist. Er muss flexibler werden. HANNES KOCH