Fingerabdrücke belasten Diplomatie

Kerstin Müller will künftig bei der Visa-Erteilung Gesichter biometrisch erfassen – bei Menschen aus „Risikostaaten“

BERLIN taz ■ Das Außenministerium hat kein Interesse an Fingerabdrücken auf Visaanträgen. Damit unterscheidet man sich deutlich von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), der diese altbekannte Technik schätzt. Stattdessen möchte das Auswärtige Amt das Gesicht als biometrisches Merkmal bei den Visa-Antragstellern in 32 mehrheitlich muslimischen „Risikostaaten“ erfassen. Die Information eines digitalen Lichtbilds soll auf dem Visum gespeichert werden. Dies gilt allerdings nur für Visa von über drei Monaten.

Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller (Grüne), erklärte gestern bei der Grünen-Fachanhörung „Mehr Sicherheit durch Biometrie?“, man werde natürlich die Ergebnisse der drei Testprojekte abwarten, die im Herbst ausgewertet würden: Seit kurzem müssen in Nigerias Hauptstadt Lagos Reisewillige ihren Fingerabdruck abgeben. Ein Probelauf für die „Gesichtsbiometrie“ – das Digitalbild, das auch etwa Augen-, Nase- Mundabstand sauber erfasst – soll demnächt im indonesischen Jakarta anlaufen. Der Ort für ein Pilotprojekt „Iriserkennung“ steht noch nicht fest.

Gleichwohl zählte Müller gestern schon einmal Gründe auf, die gegen die Iriserkennung – zu hohe Fehlerquote, zu teuer – und auch gegen den Fingerabdruck sprächen. „Der Fingerabdruck hat immer den Beigeschmack des Strafrechts“, sagte sie. „Das führt im Ausland zu Protesten.“ Die Deutschen dürften nicht unterschätzen, „welche große politische Rolle die Visaverfahren in anderen Staaten spielen“. Ein diskriminierend gefundenes Erkennungsverfahren könne leicht „bilaterale Beziehungen beeinträchtigen“.

Das Auswärtige Amt äußert damit auch andere Präferenzen als etwa die USA und Frankreich, die gerade erst die Führung einer Biometrie-Arbeitsgruppe der G-8-Staaten übernommen haben: Dort hält man den Fingerabdruck für geeignet, um den internationalen Reise- und Migrationsverkehr zu überwachen. „Nur“ ein Foto finden vor allem die USA zu wenig.

Genauso hatte das Bundesinnenministerium bislang keine Bedenken, von unbescholtenen Ausländern den Fingerabdruck zu nehmen: Beim Bundeskriminalamt werden seit über 10 Jahren in der so genannten Afis-Datei nicht nur die Fingerabdrücke von Straftätern gesammelt, sondern auch die von Asylbewerbern. Dank der Sicherheitsgesetze nach dem 11. September 2001 werden beide Dateien jetzt auch miteinander abgeglichen. Diese „schwierige Vermischung von Ausländer- und Strafrecht“ (Müller) zu verhindern, war den Grünen in den Verhandlungen mit Innenminister Otto Schily um das „Sicherheitspaket II“ nicht gelungen. Müller saß damals mit am Tisch. UWI