Rau fordert Frieden

Wo der Philosoph Fichte einst nationalistische Reden schwang, mahnte der Bundespräsident ganz zivil zu transatlantischer Freundschaft und europäischer Einigkeit

BERLIN dpa/afp/taz ■ Wieder hatte der Präsident den Ort seiner „Berliner Rede“ sorgfältig auf das Thema abgestimmt. Zu Ausländern und Integration sprach Johannes Rau, als er im Mai 2000 die von seinem Vorgänger Roman Herzog begründete Reihe fortsetzte, im „Haus der Kulturen der Welt“. Diesmal ging es um Deutschlands Rolle in der Welt, und dafür hatte sich Rau das Maxim Gorki Theater ausgesucht. In dem Gebäude befand sich einst die Berliner Singakademie, wo der Philosoph Johann Gottlieb Fichte 1808 seine berüchtigten „Reden an die deutsche Nation“ vortrug: „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt.“

Von derlei großspurigem Wortgeklingel setzte sich Rau gestern ab. In seiner Rede warnte der Präsident vor einem „Gewöhnungsprozess“, an dessen Ende „militärische Intervention und Krieg ein Mittel unter vielen ist“. Mehr Energie und auch mehr finanzielle Mittel müssten darauf verwandt werden, „Konflikte mit zivilen Mitteln zu lösen oder zumindest einzudämmen“.

Zu dem anhaltenden Konflikt mit den USA sagte Rau, die transatlantischen Reibungsflächen hätten in den vergangenen Jahren zugenommen. „Wir sollten unterschiedliche Auffassungen offen ansprechen.“ Gebe es keine Verständigung, „dann dürfen wir die Unterschiede nicht leugnen“. Die großen Herausforderungen könnten aber weder Amerikaner noch Europäer allein und schon gar nicht in Konfrontation lösen. Differenzen auch in wichtigen Fragen zerstörten die Freundschaft mit den USA nicht.

Rau schloss militärische Gewalt als letztes Mittel allerdings nicht aus. Europa habe leidvoll erfahren, dass sich ein zur Gewalt bereiter Aggressor wie der einstige jugoslawische Präsident Slobodan Milošević durch zivile Mittel nicht habe abhalten lassen. Eine handlungsfähige europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik müsse eine militärische Komponente haben. Vor diesem Hintergrund und den Friedenseinsätzen deutscher Soldaten vermisste Rau eine gesellschaftliche Debatte über die Rolle der Bundeswehr.

Als Konsequenz aus dem Irakkonflikt müsse auch Europa zur Einigkeit finden, forderte Rau weiter. Der Europäischen Union fehlten bisher Geschlossenheit und Stärke, um ein starker Partner im System der Vereinten Nationen zu werden. Er wünsche sich „ein selbstbewusstes und starkes Europa als Partner der Vereinigten Staaten“. Nur wenn Frankreich und Deutschland zusammenstünden, könne die europäische Einigung gelingen, ergänzte der Bundespräsident. RAB