Raus Schulterklaps für Joschka

In seiner „Berliner Rede“ fordert der Bundespräsident eine Stärkung der EU-Außenpolitik – und unterstützt damit indirekt einen Wechsel des Bundesaußenministers nach Brüssel

BERLIN taz ■ Der Ort war mal wieder auf das Thema abgestimmt. Bei seiner ersten der jährlichen „Berliner Reden“ hatte Johannes Rau im Mai 2000 zur Ausländer- und Integrationspolitik gesprochen – im „Haus der Kulturen der Welt“. Diesmal ging es dem Bundespräsidenten um Deutschlands Rolle in der Welt, und dafür hatte er das Maxim Gorki Theater ausgesucht. In dem Gebäude befand sich einst die Berliner Singakademie, wo der Philosoph Johann Gottlieb Fichte 1808 seine berüchtigten „Reden an die deutsche Nation“ vortrug: „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt.“

Von derlei großspurigem Wortgeklingel setzte sich Rau gestern demonstrativ ab. Europa mehr als Deutschland stand im Mittelpunkt seiner Rede, die im Plädoyer für eine „umfassende Friedensstrategie“ gipfelte, wie sie der Historiker Heinrich August Winkler gefordert habe. Dabei warb Rau vorrangig dafür, die gemeinsame Außenpolitik zu einem zentralen Politikfeld der Europäischen Union zu machen: „In der außenpolitischen Zusammenarbeit brauchen wir mutige und weitreichende Reformen.“ Das sieht auch der Bundesaußenminister so. Joschka Fischer dürfte darum Raus Worte als aufmunternden Schulterklaps auf dem Weg Richtung Brüssel verstehen. Fischer macht seinen Wechsel in das geplante Amt eines EU-Außenministers davon abhängig, dass dort genügend Kompetenzen angesiedelt sind. Rau forderte gestern: „Eine handlungsfähige europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik muss auch eine militärische Komponente haben – wie schwer der Weg dorthin auch sein mag.“ Dies deckt sich mit einem Vorschlag Fischers in einem Brief an den Präsidenten des Europäischen Konvents. Rau betonte, er setze „große Hoffnungen in die Arbeit des Konvents“. Fischer vertritt dort Deutschland.

Wenige Tage vor Veröffentlichung der neuen verteidigungspolitischen Richtlinien durch Minister Peter Struck forderte der Bundespräsident: „Wir brauchen Mut zur Zivilität.“ Obwohl der Einsatz militärischer Mittel notwendig sein könne, warnte er vor einem „Gewöhnungsprozess“, an dessen Ende „militärische Intervention und Krieg ein Mittel unter vielen ist“. Auch sei die neue Rolle der Armee im Bewusstsein der Bürger noch nicht angekommen. „Ich vermisse eine breit geführte gesellschaftliche Debatte über die Frage, wie die Bundeswehr der Zukunft aussehen soll.“ Indirekt warf Rau damit der Bundesregierung vor, die Bundeswehrreform nur als Elitendiskurs betrieben zu haben. PAT, RAB