UN-Blauhelmtruppe für Burundi in Sicht

Sicherheitsrat berät Entsendung von 5.650 UN-Soldaten vor Wahlen im Bürgerkriegsland Burundi im Oktober

BERLIN taz ■ Der UN-Sicherheitsrat hat gestern mit Beratungen über die Entsendung einer UN-Blauhelmmission nach Burundi begonnen. Eine sofortige Entscheidung wurde nicht erwartet, sollte aber vor dem 2. April fallen, wenn das Mandat der derzeitigen afrikanischen Friedenstruppe in dem Land ausläuft. Burundi würde dann nach Sierra Leone, Liberia, Äthiopien-Eritrea, der Demokratischen Republik Kongo und demnächst Elfenbeinküste Stationierungsort der sechsten großen Blauhelmtruppe in Afrika.

Eine „schnelle Entscheidung“ über die Entsendung von „mindestens 5.650“ UN-Soldaten nach Burundi forderte UN-Generalsekretär Kofi Annan in seinem Bericht an den Sicherheitsrat, der als Grundlage für die heutige Debatte dient. Der UN-Chef hat allen Grund zur Eile: Der laufende Friedensprozess in Burundi, der einen seit 1993 währenden Bürgerkrieg zwischen Hutu-Rebellen und Tutsi-dominierter Armee beenden soll, erfordert neue Entscheidungen. Seit einem Friedensabkommen von 2001 amtieren die politischen Kräfte des Landes gemeinsam in einer Übergangsregierung, deren Mandat am 1. November 2004 ausläuft.

Der Tutsi-Führer Pierre Buyoya, der 1996 per Militärputsch an die Macht gekommen war, wurde gemäß dieses Abkommens am 1. Mai 2003 durch den Hutu-Führer Domitien Ndayizeye ersetzt, Chef der größten politischen Partei Burundis „Frodebu“ (Front für Demokratie in Burundi). Vergangenen November trat auch die größte Hutu-Rebellenbewegung FDD (Front zur Verteidigung der Demokratie) in die Regierung ein. Vor dem 1. November dieses Jahres müssen nun laut Friedensplan freie Wahlen stattfinden.

Doch der Zeitplan ist kaum einzuhalten. Es gibt keinen Verfassungsentwurf, kein Wahl- oder Parteiengesetz, kein Wahlregister, keine verlässlichen Personalausweise und keine Demobilisierung bewaffneter Gruppen; dazu leben von den rund 6 Millionen Burundern über eine halbe Million als Flüchtlinge im Ausland und weitere 300.000 als Binnenvertriebene im Land.

Bisher haben Wahlen in Burundi immer zu Bürgerkrieg geführt. Die letzte freie Wahl von 1993 war gut organisiert, aber Tutsi-Soldaten töteten den Hutu-Wahlsieger Melchior Ndadaye wenige Monate nach seiner Amtsübernahme. Das führte zum aktuellen Bürgerkrieg, der bislang über 300.000 Tote gefordert hat. Der amtierende Außenminister Térence Sinunguruza, 1993 Präsident der Wahlkommission, warnte vor wenigen Wochen, die Bedingungen für freie und faire Wahlen seien heute in Burundi nicht gegeben. Eine Wahlverschiebung fordert auch die Uprona (Union für nationalen Fortschritt) des Expräsidenten Buyoya, zweitgrößte Kraft in der Übergangsregierung.

Den Verfechtern einer Wahlverschiebung kommt gelegen, dass der Krieg in Burundi andauert. Die kleine, von radikalen Hutu-Extremisten geführte Rebellenbewegung FNL (Nationale Befreiungsfront) kämpft weiter und sperrt sich bislang gegen Friedensgespräche. Sie hat ihre Angriffe rund um die Hauptstadt in den letzten Monaten erheblich ausgeweitet.

Es gibt viele Kräfte in Burundi, die an freien Wahlen wenig Interesse haben. Derzeit sitzen alle maßgeblichen Politiker in der Regierung und haben somit Zugriff auf internationale Entwicklungshilfe, und niemand gibt diese Privilegien gerne freiwillig auf. Manchen ist außerdem Krieg lieber als Frieden. So erklärte vor wenigen Tagen Hassan Radjabu, Generalsekretär der in die Regierung eingetretenen FDD-Rebellen, bei einer Wahlverschiebung verlöre die Regierung ab dem 1. November trotzdem ihre Legitimität und dann müsse eben seine Bewegung das „Machtvakuum“ füllen – also den Kampf wieder aufnehmen.

DOMINIC JOHNSON