Schröder tritt nicht zurück

Trotz Zugeständnissen an die Parteilinke gibt es im SPD-Vorstand fünf Gegenstimmen zur Agenda 2010. Die neuerliche Rücktrittsdrohung des Kanzlers wirkt nur noch wie eine Routineübung

BERLIN taz ■ Trotz mehrerer Zugeständnisse an die Parteilinke und der fast schon pflichtgemäßen Wiederholung der Rücktrittsdrohung durch Bundeskanzler Gerhard Schröder ist eine Minderheit in der SPD-Führung weiterhin gegen die Reformagenda 2010. Zwei Wochen vor dem SPD-Sonderparteitag verabschiedete der Vorstand am Montag in Berlin den überarbeiteten Leitantrag bei fünf Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Schröder war mit diesem Ergebnis „sehr, sehr zufrieden“. Das Votum entspreche seinen Erwartungen an Disziplin und Geschlossenheit in der Partei. Er sei davon überzeugt, dass es sowohl beim Sonderparteitag als auch später im Bundestag eine Mehrheit für seine sozialpolitischen Reformen geben werde.

Schröder hat in der Sitzung zum wiederholten Male erklärt, dass er nicht bereit sei, als Kanzler für eine Politik zur Verfügung zu stehen, von der er nicht überzeugt sei. Er wollte dies aber nicht als Rücktrittsdrohung verstanden wissen. Er müsse seine Autorität als Regierungschef jeden Tag in die Waagschale werfen, sagte er.

Der Leitantrag der Parteispitze zum Sonderparteitag war von fünf Arbeitsgruppen überarbeitet worden. Die SPD-Linke setzte einige Änderungen durch: Wer Arbeitslosengeld bezieht, soll zwei Jahre einen Zuschlag bekommen, damit er über dem Sozialhilfeniveau liegt. Außerdem soll eine Härtefallklausel dafür sorgen, dass die private Altersvorsorge geschont wird. Die Kommunen sollen bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe um mehrere Millionen Euro entlastet werden. Der Wirtschaft wird eine Ausbildungsplatzabgabe angedroht, falls sie dieses Jahr nicht genügend Lehrstellen bereitstellt.

Als weiteres Zugeständnis an die Parteilinken beschloss der Vorstand einen Perspektivantrag von Generalsekretär Olaf Scholz, in dem längerfristige Ziele sozialdemokratischer Politik beschrieben werden sollen. Dieser Antrag ist ein Arbeitsauftrag für den Programmparteitag der SPD im November. Die Agenda 2010 ist davon unberührt. In dem Antrag wird eine schärfere Besteuerung von Erbschaften und eine Besteuerung von Kapitalvermögen in Aussicht gestellt. Schröder sagte, als Kanzler und Parteichef liege sein Hauptaugenmerk auf der Umsetzung der Agenda 2010. Er halte es aber für richtig, wenn die SPD ihre mittel- und langfristigen Arbeitsfelder beschreibe. Man solle das „weder gering schätzen noch überschätzen“.

JENS KÖNIG

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