Schlappe für Chirac und Raffarin

Bei den Regionalwahlen in Frankreich fielen die bürgerlich-konservativen Parteien auf 34 Prozent der Stimmen ab. Le Pens Front National schnitt hingegen überraschend gut ab und wird bei der zweiten Runde vielerorts Zünglein an der Waage sein

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

„La France d’en bas“ lautete der griffige Schlachtruf von Premierminister Jean-Pierre Raffarin. Der Werbefachmann wollte Politik machen für das „Frankreich von unten“. Doch bei dem ersten Urnengang seit seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren hat sich Raffarin gerade in den Provinzen und in den Arbeitervorstädten, die er zu vertreten vorgibt, die schwersten Niederlagen geholt.

Im ersten Durchgang der Regionalwahlen vergangenen Sonntag schaffte seine rechte Partei UMP zusammen mit der rechtsliberalen Konkurrenzpartei UDF insgesamt nur 34 Prozent der Stimmen. Gegenüber 40 Prozent für die rot-rosa-grüne Linke. Und satten 17 Prozent für die Rechtsextremen. Besonders schallend und symbolträchtig ist die Ohrfeige für die französischen Rechten im westlichen Poitou Charentes. In der ländlichen Region, der Raffarin vorstand, bis er nach Paris wechselte, bekam die sozialdemokratische Kandidatin Ségolène Royal mehr als 46 Prozent der Stimmen.

„Die Sanktion“ titelte das Boulevardblatt Parisien gestern. Die kommunistische Humanité machte auf mit: „Strafe für die Rechten“. Und selbst der regierungsnahe Figaro schrieb quer über seine Seite eins: „Der Schock des ersten Durchgangs“. Die WählerInnen erteilten damit der Politik des radikalen sozialen Kahlschlags eine Absage. Zugleich signalisierten sie Staatspräsident Jacques Chirac, wie wenig sie seine Idee einer rechten Einheitspartei goutieren. Die UMP bekam im nationalen Durchschnitt nur 23 Prozent der Stimmen – gegenüber 12 Prozent für die konkurrierende rechtsliberale UDF von François Bayrou. Obschon es im Wahlkampf zu erbitterten Auseinandersetzungen zwischen den Kandidaten der beiden rechten Listen gekommen war, suchten UMP und UDF gestern auf nationaler Ebene den Konsens. Sollte es am kommenden Sonntag bei der bisherigen Tendenz bleiben, riskieren die französischen Rechten, ihre Mehrheiten in mindestens fünf Regionen zu verlieren.

Die einzige der 22 französischen Regionen, die das politische Lager in umgekehrter Richtung wechseln könnte, ist die Hauptstadtregion Île-de-France. Zwar haben auch dort die Linken zahlenmäßig einen Vorsprung. Doch die Rechten in der Île-de-France hoffen auf Unterstützung jener 15 Prozent WählerInnen, die rechtsextrem gestimmt haben. Bereits am Sonntag buhlte der Spitzenkandidat der UMP, Jean-François Copé, in Paris um sie. „Wer FN wählt“, warnte er, „verhilft der Linken zum Sieg.“.

Die rechtsextreme Front National, deren Chef Jean-Marie Le Pen im April 2002 zweitstärkster Mann bei den Präsidentschaftswahlen geworden war und Frankreich für zwei Wochen in Panik gestürzt hatte, bewies bei diesen Regionalwahlen, dass sie über eine stabile WählerInnenschaft verfügt. Sie wird zwar in keiner Region die Mehrheit bekommen, doch schaffte sie im nationalen Durchschnitt 15 Prozent der Stimmen, stellenweise – darunter im Grenzgebiet zu Belgien, im südfranzösischen Paca und im Elsaß – auch sehr viel mehr.

Damit ist auch eine andere politische Absicht der rechten Regierung gescheitert. Premierminister Raffarin und sein Innenminister Nicolas Sarkozy hatten massiv auf mehr Polizei und mehr Repression gesetzt. Ihre erklärte Absicht war es, mit dieser Politik für mehr „innere Sicherheit“ die Rechtsextremen zu desavouieren.

Auf der Seite der Linken profitierten vor allem die SozialdemokratInnen von der Entscheidung „nützlich“ zu wählen. Daneben bewies die oft totgesagte KPF, dass sie überall dort, wo sie es wagte, mit eigenen Listen anzutreten, über 8 Prozent kam. Relativ gut schnitten auch die Grünen ab. Sie kandidierten in acht Regionen autonom und schafften fast überall mehr als 5 Prozent. Bei der Stichwahl wollen die drei Parteien mit gemeinsamen Listen antreten.