Manni träumt

Bauhaus und Orgasmus

In Bärbels Grunewald-Villa schreckte Manni von der Le-Corbusier-Liege hoch. Zwei Parallelträume brachen ab wie Stangenspargel. Jenseits des Raumteilers vögelte die Gastgeberin mit Holger, Mannis brandheißer Entdeckung in Sachen Spontanskulptur. Den Markennamen „Bauhaus“ hatte Bärbel in diesem Zusammenhang übrigens gründlich missdeutet. Holger hole sich seine Inspiration im Bauhaus, hatte Manni gesagt. Doch nicht in Weimar oder Dessau, wie Bärbel gefolgert hatte, sondern in der Filiale am Hermannplatz beim Bosch-Aktionstag „Rund um den Akkuschrauber“.

Zwei Träume. Einer schlimmer als der andere. In Traum Nummer eins saß Manni bei Doktor Marwan und seiner sadistischen Assistentin in der Potse und starrte mit offenem Mund auf das knallbunte Schlieren- und Streifenbild an der Decke über dem Zahnarztsessel – einer von Joeys frühen Versuchen, den Akt des Malens vollständig an den Pinsel zu delegieren, wie er selbst sagte. Ein Fehler, dachte Manni mit Schmerzen, dem Doc dieses Bild anzudrehen im Tausch gegen eine Wurzelbehandlung. Hinzu kam, dass der Zahnarzt einen dicken Verband um den Zeigefinger trug, der bei Manni anthropophagische Fantasien in Gang setzte.

In dem zweiten, gleichzeitig ablaufenden Traum sah Manni in das gequälte Gesicht von Gregor Schneider, der gerade sein neuestes Werk vorstellte. Eine ellenlange, stockdüstere, begehbare Röhre. Schneider sagte: In der Röhre wird der Betrachter auf sich selbst zurückgeworfen. Wahnsinn, dachte Manni. Er hing an Gregor Schneiders Knetgummilippen, als wären die echt. Da hatte Bärbel hinter dem Wandschirm einen ihrer absolut hörenswerten Orgasmen, und der Traum war aus. SASCHA JOSUWEIT