village voice
: Trinken mit Truman Capote und schöner Rauchen mit den Sitcom Warriors

Exile on Mainstreet, Mitte

Was man alles nicht wissen muss und was beim nächsten Berliner Pop-Quartettspiel doch wieder lässig ausgespielt werden könnte: Also, zu den Sitcom Warriors gibt es diverse Seitenprojekte, von denen das eine, die Elektropopper Kissogram, sogar erfolgreicher ist als die Sitcom Warriors selbst. Außerdem sind da noch Davos mit einem am Blues schrundig geriebenen Punkrock. Am Schlagzeug der Warriors sitzt der aus Bayern zugewanderte Ran Huber, der mal bei Notwist trommelte und jetzt als Veranstalter mit feinen Konzerten am Start ist. In der (verflossenen) Galerie Berlintokyo wurden die ersten Kontakte zum Rest der Band geknüpft.

Das alles mag schon eine erste Hörhilfe sein, besser noch schaut man gleich genauer hin beim Full-Length-Debüt der Sitcom Warriors. Denn in der Binnenperspektive finden sich bei diesem „I’ve been waiting for this a long time“ im CD-Booklet Bilder, auf denen die Musiker aber so was von lässig die Kippe auf den Lippen balancieren. Hier spielt man auf cool. Der Schmutz der Straße und diese Freiheit, die mal nicht out there liegt, wo man wenig Zäune sieht. Sondern mittig in Berlin.

Die Großstadt als romantische Vorstellung. Statt am Lagerfeuer wärmt man sich bei der Suche nach seinen kleinen Abenteuern am Neonlicht: „Take me to the rocket-bar, where I drank more whiskey than Truman Capote“, singt Jonas Poppe, und er singt von Männern in schwarzem Leder (in „Metal Man Judah“). Er macht es träge und gelangweilt, mit dieser feinen Spur Angewidertheit auf den Lippen, so wie man das Leben seit dem jungen Marlon Brando zu nehmen hat.

Also Ennui (die Sitcom Warriors selbst singen erst mal von Lingerie). Doch weiß man ja, dass gerade im Rinnstein diese kleine blaue Blume wächst. Achtlos im Vorbeigehen gilt es sie zu pflücken. Ehrensache. Natürlich wollen die Sitcom Warriors keine Vergleiche mit sich anstellen lassen und am allerwenigsten mit den Strokes. Dabei bettelt jede Note auf dieser Scheibe darum, dass man wenigstens mal den Namen Velvet Underground fallen lässt. Also tu ich ihnen den Gefallen und schreib noch lieber was von den Rolling Stones hinterher. Einer einst auch mal recht coolen Band, die heute aber, da noch praktizierend, von der modernen Lässigkeit eher irritiert beäugt wird.

Die Stones deswegen, weil die Sitcom Warriors mit manchem Titel doch eine flott stampfende Kopie von deren „Black & Blue“-Disco-Phase hinbekommen haben. Auch wenn das wohl eher unabsichtlich passiert ist. Und dann wegen des Kontrasts: Den ewigen Blueprint für dumpf wummernden Mülleimer-Sound haben eben die Stones hingelegt, mit „Exile on Mainstreet“. So muss böser Rock ’n’ Roll seither einfach klingen. Doch dieser Sound mit seiner scheinbaren Nachlässigkeit war halt ausgebufft produziert.

Lässig wollen auch die Sitcom Warriors sein, aber es klingt mehr nach einem dünnen Scheppern aus dem Proberaum (nett, dass ein Norman Nitzsche produzierte. Weil ein Jack Nitzsche auf den frühen Stones-Platten arrangierte und Klavier spielte).

Dieser hühnerbrüstige Sound nimmt den eigentlich in schöner Ökonomie der Mittel gebauten Songs einiges an Durchschlagskraft. Im Infoschreiben spricht man dazu recht vorsichtig von „lässiger Schlampigkeit“, und ich sag, dass hier geschlurft wird, wo doch geschlendert werden sollte. Mein Herz wärmt allerdings wirklich die Referenz an Françoise Hardy am Schluss der Platte. Denn so, wie jeder Angeber ein Angsthase ist und alle Schüchternen Superman, ist es überhaupt nichts Schlimmes, dass Männer immer gleich zum Nick Cave werden, wenn sie einmal romantisch sind.

THOMAS MAUCH

Sitcom Warriors: „I’ve been waiting for this a long time“ (Buback/EFA).Am 25. 5. live im Bastard