BERLINER PLATTEN
: Musikalische Pioniertaten: Old Splendifolia haben aus Weird-Folk-Traumwelten ein wundervolles Album gemacht, und Superleutnant einfach wieder den Berlin-Pop

Der Weg war weit. Er begann in den Orangenhainen Kaliforniens, führte durch entlegene Landkommunen in Vermont und endete noch lange nicht in einem kleinen Badezimmer in Paris. Nun endlich, wurde ja auch mal Zeit, ist der Weird Folk auch in unserer kleinen Hauptstadt angekommen, Old Splendifolia sei Dank. Das Duo mit der Sängerin Jana Plewa und dem Gitarristen F.S. Blumm orientiert sich bei seinem Debüt „Swaying Boldly Afar“ fröhlich am verschämten Knuspern und Kratzen von CocoRosie und wühlt sich schamlos durch den Bart von Devandra Banhart. Atmosphärisches Rauschen umfängt zerbrechliche Melodien und einzelne, nahezu verschwindende Geräusche finden sich zu einem ätherischen, entrückten Sound. So fein sind die Arrangements, so hauchzart bisweilen, als wären sie gar nicht vorhanden. Oder nur das Produkt einer Fantasie, eine Märchenwelt aus Tönen.

Dabei ist natürlich die Handschrift von Frank Schültge Blumm zu erkennen, dieses ruhelose, bisweilen aber auch ziellose Forschen nach abseitigen Klangbildern, dem er seit Jahren als Hörspielmacher, als Solist und in immer wieder wechselnden Konstellationen nachgeht. Mit Plewa, die seit längerem schon bei Kat Cosm mitwirkt, hat er aber nun eine Partnerin gefunden, die seinen vielen, oft auch widerstreitenden Ideen eine Struktur zu geben versteht, eine Richtung. Nun wird aus bisweilen arg akademischer Klangbildung doch noch Gefühlsbebilderung, aus theoretischen Exkursionen endlich eine Herzenssache. Die eindringlichen Miniaturen, die Old Splendifolia konstruieren und die sie selbst sehr treffend Liedergedichte nennen, finden stets die diffizile Balance zwischen intimer Nähe und musikalischem Anspruch, vor allem aber den Ausgleich zwischen dem neuen Folk und einer europäischen, urbaneren Herangehensweise. Tatsächlich funktioniert es vorzüglich, wenn durch einzelne Songs die Ahnung eines Club-Beats wabert, kontrastiert mit Banjos aus den Appalachen. Aber so ist das in Traumwelten, da geht alles, selbst so ein wundervolles Album.

Dieser Weg war nicht so weit. Superleutnant fügen sich ein in das popmusikalische Schema, für das Berlin zuletzt bekannt geworden ist. Ein leicht quäkiger Sound über solidem Viervierteltaktrock und eine aufgeräumt singende Frontfrau mit Texten aus einer Erlebniswelt, die das endgültige Erwachsenwerden herauszuschieben versucht. Kurz: Die Blaupause Wir sind Helden scheint auch durch „Schöner als die Weisheit“, das zweite Album von Superleutnant. Das allerdings ist nicht deren Schuld, denn zu ihrer Ehrenrettung muss man sagen, dass die Band bereits seit 2002 existiert, die Mitglieder auf die 40 zumarschieren und man einen erfolglosen Ausflug ins Majorgeschäft bereits hinter sich hat. Wahrscheinlich wird das nie endgültig zu klären sein, aber womöglich sind Superleutnant ja die vergessenen Pioniere des Berlin-Pop. Heute versuchen sie jedenfalls nicht mehr, auf den Zug aufzuspringen, sondern nur noch rechtzeitig von den Gleisen zu kommen, bevor sie selbst überrollt werden. THOMAS WINKLER

Old Splendifolia: „Swaying Boldly Afar“ (Plop/Broken Silence)

Superleutnant: „Schöner als die Weisheit“ (Solaris Empire)