Jetzt geht‘s an die leersten Taschen

Senat plant Streichungen bei den Sozialausgaben. Finanz- und Sozialverwaltung prüfen, welche Berliner „Überausstattungen“ entbehrlich sind. Wowereit: „Ausgabensenkung ist notwendig.“ Kleidergeld, Krankenhilfe und BVG-Ticket vom Rotstift bedroht

von ROBIN ALEXANDER

Der Senat plant Streichungen bei den Sozialausgaben. Auf einer Arbeitsklausur, die Montag begann und gestern fortgesetzt wurde, verständigte sich das Gremium über ein Prozedere für weitere Kürzungen. Dabei ging es nicht nur um den Doppelhaushalt 2004/2005, sondern auch um die mittelfristige Finanzplanung.

„Im Bereich der Sozialhilfe werden in den nächsten Jahren in erheblichem Maße Ausgabensenkungen notwendig“, erklärte der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit (SPD), gestern auf einer Pressekonferenz. Konkret geht es um sogenannte „Berliner Überausstattungen“. Dies sind Leistungen, die über das gesetzlich Vorgeschriebene hinaus gezahlt werden. Wowereit definierte „Überausstattungen“ wenig später aber auch so: „erkennbare Mehrleistungen im Vergleich zu Brandenburg oder anderen großen Städten“.

Wowereit führte aus, mögliche Kürzungen würden zurzeit geprüft. Dies bedeutet, jede Kürzung wird auf ihren Einspareffekt berechnet. Zudem sollen die Maßnahmen jedoch auch auf ihre Auswirkung auf den einzelnen Hilfeempfänger analysiert werden. Wowereit: „Die Abschaffung aller Überausstattungen könnte eine Härte sein.“ Auch auf Nachfrage weigerte sich der Regierende, konkret zu benennen, an welche Leistungen gedacht ist. „Vor einer öffentlichen Diskussion“, so Wowereit, „möchte ich Sicherheit haben, dass der Senat einzelne Maßnahmen auch tatsächlich ergreifen wird.“

Die Senatoren berieten auf Grundlage einer Liste aller potenziell streichbaren Leistungen. Nun sollen Finanz-, Sozial- und Bildungsverwaltung gemeinsam politisch durchsetzbare und gleichzeitig lohnende Kürzungen erarbeiten. Es zeichnet sich ein Tauziehen zwischen der einsparungsfixierten Finanzverwaltung und der eher betroffenenorientierten Sozialverwaltung ab. Das letzte so genannte Chefgespräch zwischen Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) und Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) fand am 5. Mai statt.

In der PDS reagierte man sauer auf den „forschen Vorstoß“ Wowereits. Die Konsolidierungslinie von Sarrazin sieht zwar Einsparungen im Sozialressort von 114 Millionen Euro vor, dies – so führende PDSler – sei aber „noch lange nicht so beschlossen“. Die Sozialisten sind fest entschlossen, zumindest die von Sarrazin angedachte Reduzierung der Sozialhilferegelsätze abzuwehren.

Offiziell wird über die potenziellen Kürzungen strikt geschwiegen. Nach taz-Informationen sollen die Weihnachtsbeihilfen, die Mobilitätshilfe (BVG-Ticket) und die Krankenhilfe für nicht versicherte Sozialhilfeempfänger geprüft werden. Auch die Höhe der Kleidungspauschale für Sozialhilfeempfänger steht in Frage. Dieser letzte Posten hatte schon in den Koalitionsverhandlungen eine Rolle gespielt, damals sprachen sich PDS und einzelne Sozialdemokraten gegen eine Abschaffung aus. Die Verwaltungen sollen nicht nur Vorschläge für Streichungen, sondern auch für effizientere Lösungen erarbeiten.

Ein Posten, der ebenfalls geprüft wird, sind die „Hilfen zur Erziehung“, die 2002 mit 451 Millionen Euro zu Buche schlugen. Dieses Geld wurde für 7.270 Kinder und Jugendliche aufgewendet. Hätte man die Ausgaben in diesem Bereich auf den Bundesschnitt reduziert, hätte das Geld nur für 3.440 Kinder und Jugendliche gereicht.

Große Hoffnungen setzt Klaus Wowereit in die Umsetzung der Agenda 2010 und des Hartz-Konzeptes. „Enorme Einsparungen“ seien hier möglich, „wenn das kommt, wie es jetzt diskutiert wird“. Unter Verweis auf Steuerausfälle rückte Wowereit jedoch von der mittelfristigen Finanzplanung ab: „2 Milliarden Euro Ausgabenkürzungen bis 2006 sind eine erhebliche Summe. Ob das zu schaffen ist, kann ich noch nicht sagen.“