Nicht immer wieder Werften retten

Auf der Bremerhavener SSW-Werft ist man stocksauer auf den Bremer Senat. Seit dem 4. März verweigert der sich einem „Rettungsdarlehen“ und stellt immer neue Nachfragen. In Hamburg und Kiel wird über die große Werftenfusion geredet

Aus BremerhavenKlaus Wolschner

Die Stimmung auf der SSW-Werft in Bremerhaven ist nicht gut. Die Belegschaft wird älter, auf der Werft zu arbeiten, ist keine Lebensperspektive mehr für junge Bremerhavener. Die Tafel am Werkstor „Wir stellen ein...“ ist leer. Gestern ist die Belegschaft mit einem 168 Tonnen tragenden Schwerlaster durch die Stadt gezogen, um für die Erhaltung des Schiffbaubetriebes zu demonstrieren. „Es wird höchste Zeit, dass der Senat handelt“, erklärte Betriebsratsvorsitzender Holger Pflaumbaum. Seit Wochen fordern das die Werftvertreter, bisher vergeblich.

100 von ihren 350 Beschäftigten hatte die SSW an die andere kleine Bremerhavener Werft, die Lloyd-Werft ausgeliehen: für Arbeiten an dem großen Kreuzliner „Pride of America“. Seitdem das fast fertige Schiff halb abgesoffen ist, sind die ohne Beschäftigung. Irgendwann im April werden die Versicherer und der Reeder wohl entscheiden, was mit dem Schiff passieren soll und wer die Kosten für das Unglück trägt, das auch die andere Bremerhavener Werft in die Schieflage gezogen hat. 4,2 Millionen Euro „Rettungsdarlehen“ braucht die SSW-Werft, sagt Pflaumbaum, keinen verlorenen Zuschuss, sondern einen Kredit, den die Werft aus Gewinnen zukünftiger Container-Aufträge glaubt, wieder zurückzahlen zu können.

Am 4. März hat die SSW den Antrag an die „Bremer Aufbaubank“ (BAB) des Senats gestellt. Schon am 16. März hätte der Senat sein Ja-Wort geben können, sagt Pflaumbaum. Hat er aber nicht. Auch am 23. März ist noch keine Entscheidung gefallen.

Die Zeit drängt

Die Gespräche bei der EU, die neue Werfthilfen genehmigen muss, waren „gut“, sagt der Spreche des Wirtschaftssenators, Stefan Luft. Mehr sagt er nicht. Einen Termin, zu dem die Werft das Geld bekommen kann, will er nicht nennen. Aber die Zeit drängt für die Werft. „Es ist unverständlich, dass dieser Sachverhalt so schwer zu realisieren ist“, sagt Pflaumbaum. Die alte SSW-Gesellschaft mit dem Zusatz „Fähr- und Spezialschiffbau GmbH“ ist in Konkurs gegangen, eine neue „SSW Schichau Seebeck Shipyard“ soll den Betrieb weiterführen, der wacklige Schiffbaubetrieb verträgt keine weiteren Unsicherheiten.

Seit Wochen ist es ein offenes Geheimnis in Bremen, dass man im Wirtschaftsressort wenig Lust verspürt, die Werft von Krise zu Krise immer wieder zu retten. Hat sie Chancen, mehr als die Aufträge zu bekommen, die die großen Werften in Kiel und Hamburg für wenig lukrativ halten? Wäre es nicht sinnvoller, auf neue Industrien zu setzen? Manch ein Wirtschaftsplaner kann sich auch eine große Produktionsanlage für Windenergie auf dem Werftgelände am Wasser vorstellen. Natürlich mit weniger Arbeitskräften. Aber schuld sein will natürlich kein Bremer Senator, wenn die vorletzte Werft geschlossen wird.

So spielt man auf Zeit und schiebt den schwarzen Peter hin und her. Derzeit wird hinter den Kulissen an einem Paket gebastelt: Das Land will helfen, aber nur mit 2,9 Millionen Euro und nur dann, wenn eine Hausbank mit ins Risiko geht. Und dann soll es noch weitere Bedingungen geben, die es der Werft schwer machen, die Hilfe als „Rettung“ zu begreifen.

Bisher hat vor allem der zuständige Abteilungsleiter im Bremer Rathaus, der Werftenexperte Heiner Heseler, die undankbare Aufgabe übernommen, unbequeme Dinge laut zu sagen. Etwa dass die Lücke erheblich größer sei als zugegeben. Geschäftsschädigend seien solche Äußerungen, schimpft der neue Geschäftsführer der SSW, Karl-Heinz Jahncke.

„Genauso falsch wie die anderen Aussagen von Herrn Heseler“ sei das, sagt Pflaumbaum. Können heute wieder in Europa Containerschiffe kostendeckend gebaut werden? Ja, sagt Pflaumbaum, wenn es Werftenhilfe gibt, die die koreanischen Staats-Subventionen ausgleicht. Denn die Kapazitäten in Ostasien seien derzeit ausgeschöpft. Vorverträge für 14 Containerfrachter habe die SSW unterschrieben, der derzeit vom Bremer Senat geplante Topf „Werftenhilfe“ von 6,45 Millionen Euro würde für vier dieser Schiffe ausreichen und bis Ende 2006 die Werft auslasten.

Hilft ein Werftenverbund?

In Hamburg und Kiel sind Containerfrachter nicht die Hoffnung der Werftarbeiter. Dort feilscht man um die lukrativeren Marine-Aufträge. Und wieder gibt es Diskussionen darüber, dass die übriggebliebenen deutschen Werft-Kapazitäten besser auszulasten wären, wenn es eine „Deutsche Werft AG“ gäbe. Das Fusions-Thema war zu den seligen Zeiten des Bremer Vulkan-Verbundes schon aktuell. Der Vulkan ist weg vom Markt, an der Weser sind nur die beiden kleinen Werften in Bremerhaven übriggeblieben, die der Technologiekonzern ThyssenKrupp mit seinen Schiffbaubetrieben Blohm+Voss in Hamburg sowie den Nordseewerken in Emden nicht im Blick hat, wenn von der industriellen Führung in einem Werft-Konzern die Rede ist.

Der amerikanische Mehrheitsaktionär will angeblich seine Anteile an der HDW abstoßen. Der Zusammenschluss soll nach Möglichkeit noch in diesem Jahr erfolgen, schürt Walter Klausmann, Finanzchef der ThyssenKrupp Werften GmbH, neue Gerüchte. Die HDW arbeitet bereits seit vielen Jahren beim Bau von U-Booten und Fregatten mit Blohm+Voss in Hamburg und mit den Thyssen Nordseewerken Emden zusammen.

Die HDW hat angekündigt, die Belegschaft bis zum nächsten Jahr von 3.200 auf 2.700 zu verringern. Blohm+Voss hat derzeit knapp 1.080 Stellen, 150 Schiffbauer in Hamburg müssen wegen fehlender Aufträge schon seit dem 1. Juli 2003 kurzarbeiten. Die Maßnahme ist für 18 Monate beantragt worden.

Auch die Gewerkschaft IG Metall ist grundsätzlich für einen deutschen Werftenverbund. Das bedeutet natürlich nicht, dass man in der Hamburger Zentrale der IG Metall Küste offiziell einverstanden wäre, wenn die Arbeitsplätze in Bremerhaven gestrichen würden anstatt an den Kern-Standorten in Hamburg oder Kiel. „Ich halte das Problem der SSW für lösbar“, sagt Frank Teichmüller, der Bezirkschef Küste der IG Metall, der früher im Aufsichtsrat des Vulkan saß und die Bremer Problemlage gut kennt. Falsch sei die Vorstellung, sagt er, die Zukunft der Lloyd-Werft könne sicherer werden, wenn die SSW vom Markt verschwindet – bei größeren Aufträgen sei Lloyd auf Kooperationspartner vor Ort angewiesen. Wie bei der „Pride of America“.