Die streitlustige Stimme der Klinikärzte

Frank-Ulrich Montgomery, stets eloquenter Chef des Marburger Bundes, entzieht der SPD-Gesundheitspolitik die Gunst

Schon wieder so eine großartige Satzfolge, ein Dreischritt. „Der Kanzler Schröder hat gesagt: Wir brauchen Reformen. Das stimmt. Aber dieses Gesetz brauchen wir nicht.“ Ohne einen Blick auf sein Skript zu senken, zerrupfte Frank-Ulrich Montgomery gestern wieder einmal das Gesetz zur Gesundheitsreform, wie es Gesundheitsministerin Ulla Schmidt bislang geplant hat.

Der Vorsitzende des Marburger Bundes, des Verbands der Krankenhausärzte, verspricht sich fast nie, redet mit genau kalkulierter, nie überschießender Empörung, so temperamentvoll wie intellektuell, so flüssig wie autoritär. Er wirkt lebendig, trommelt bei etwas langatmigen Fragen mit den Fingern auf den überkreuzten Armen herum. Haupthaar und Schnäuzer des bald 51-Jährigen sind mittelbraun wie eh und je, nur insgesamt etwas runder geworden ist sein Gesicht in den vergangenen Jahren – trotz täglichen Joggings am Hamburger Elbstrand.

Montgomery ist in Sachen Redekunst der König der sowieso wohl artikulierten Ärzteverbände. Kein Stotterer unter Stummen also, eher ein Walter Jens unter den Rhetorikprofessoren. Ihn können Journalisten immer wortwörtlich zitieren, außerdem ist er immer erreichbar und hat immer eine Meinung – was will die Presse mehr?

Montgomery, seit 1989 Chef des Klinikärzteverbands Marburger Bund, hat eine beträchtliche Routine darin, Gesundheitsministerinnen und -minister anzugreifen. Das ist ja überhaupt der Zweck der Vertreter der Ärzteschaft, seien es die Krankenhausärzte oder die Niedergelassenen: die Politik darauf hinzuweisen, dass Sparen nicht geht – und um nichts anderes ging es in der Kostendämpfungspolitik des letzten Vierteljahrhunderts.

Andererseits meinen natürlich nicht alle Ärzte das Gleiche. Erstens muss man unterscheiden zwischen den Ärzten selbst und den Ärztefunktionären, und zweitens haben alle Ärzteorganisationen auch jeweils eigene, grundsätzlich verschiedene Interessen. Grob gesagt stand Montgomerys Marburger Bund immer schon aufseiten der SPD, weil Klinikärzte schließlich Angestellte sind. Die organisierten Niedergelassenen dagegen neigen als Freiberufler, sprich Unternehmer, eher der FDP oder der Union zu.

Anlässlich der anstehenden Gesundheitsreform von Ulla Schmidt jedoch hat Montgomery, jahrzehntelanges SPD-Mitglied, auch diese Zuordnung ruiniert. Ganz offiziell verurteilte er gestern nicht nur Schmidts Reformvorstellungen insgesamt und weit schärfer als etwa nachher der Chef der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe. Montgomery ging sogar noch einen Schritt weiter und bot nicht etwa der Ministerin, sondern „der Opposition“ die Gunst der Krankenhausärzte „und unseren Sachverstand“ an.

Das war selbstverständlich reine Taktik, denn erstens hat Montgomery mit der Gesundheitspolitik der Union ansonsten nicht viel am Hut – und sie auch nicht mit ihm. Zweitens aber hat Frank-Ulrich Montgomery Ambitionen: Er will auch in der Bundesärztekammer aufsteigen.

Und um auf dem Ärztetag, der diese Woche in Köln stattfindet, die nötigen Stimmen zu bekommen, empfiehlt sich größtmöglicher Abstand zur amtierenden Gesundheitsministerin. Sicherlich wird Montgomery auch diese Distanz wieder einmal blendend mit Worten füllen.

ULRIKE WINKELMANN