„Verpuffende Sendeleistung“

Betr: „Radio Bremen liebt seine Zahlen“, taz Bremen vom 04.03.2004

Hier mein Fundstück auf www.radiobremen.de/radio/, der Radio-Bremen-Überblicksseite: „Nordwestradio. Das Informations- und Kulturprogramm von Radio Bremen und dem Norddeutschen Rundfunk. Nordwestradio ist am 1. November 2001 auf Sendung gegangen. Es ersetzt die Kulturwelle Radio Bremen 2 und wird auf den UKW-Frequenzen 88,3 und 95,4 ausgestrahlt.“

Solch ein Satz stellt uns vor folgende sprachphilosophische Frage: Ersetzt ein Trabbi den Mercedes, nur weil er jetzt in dessen früherer Garage steht? Wohl kaum. Das ist wie in der DDR: Obst ist alle, aber jetzt gibt‘s ungefragt Kartoffeln über denselben Tresen, und unversehens hustet man ab jetzt im Staub der Erdäpfel. Darüber, ob mir das Neue das Alte ersetzt, entscheide ich immer noch selbst. Obige Satzschöpfer scheinen das mit dem „Ersetzen“ unbewusst selber nicht so ganz zu glauben, denn sie lassen uns weiter hinten im Satz zwar wissen, dass das Ersatzprogramm wohl ausgestrahlt wird, aber was dann damit passiert, nämlich, ob es auch empfangen wird, bleibt offen. Das halbjährlich herauszufinden, überlassen sie den lupenbewehrten Hinterkommaspezialisten der Media-Analyse. Andere Sender verlautbaren sich an solchen Stellen selbstbewusster damit, dass sie „auf dieser oder jener Frequenz empfangen werden“ oder befehlsgemäß „zu empfangen sind“. Der Sinn des NWR liegt, obiger Verlautbarung zufolge, also darin, dass es in erster Linie „ausgestrahlt“ wird, das mit dem Empfang ist zweitrangig, ... bis es sich mal „ausgestrahlt“ haben wird.

Das leitet mich über zu einem Spiel aus meiner Bubenzeit. Wir spannten verbotenerweise einen Draht quer zwischen zwei Bäume, befestigten in der Mitte eine Kleinglühbirne und freuten uns, wie die durch die Rundfunkleistung des nahen Sendemastes zum Leuchten gebracht wurde. Könnte man da nicht die ganze, laut aktueller Media-Analyse vergeblich verpuffende Sendeleistung (über das Wort „Leistung“ kann man streiten) des wochentäglichen NWR den renitent in Verweigerungshaltung verharrenden, unerreichten Hörern in bar als Heizkostenzuschuss auszahlen? Das wäre echter Regionalservice. Jochen Ehlers, Bremen