strafplanet erde: schluss mit der geld- und geizgeilheitspropaganda von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Ein Verlagsvertreter erzählte von einer resoluten älteren Dame, die in einer Kleinstadt eine Buchhandlung führte. Einem Anlageberater, der telefonisch mit ihr einen Termin vereinbaren wollte, antwortete sie, das Angebot sei schrecklich nett, aber „leider passt Ihr Jaguar nicht durch die schmale Straße hier“. Aber er fahre gar keinen Jaguar, bekam sie zur Antwort. Dann, sagte die Buchhändlerin, dann könne es mit seinen Expertentipps in Geldangelegenheiten ja nicht weit her sein.

Die Begebenheit kam mir in den Sinn, als ich die Post aufmachte. Herr Hintze von der Norisbank-Filiale schrieb: „Zwischen Wunsch und Wirklichkeit steht oftmals nur das Geld.“ Während ich diese These aus dem Marktsegment der Pekuniärphilosophie zu übertragen versuchte und mich fragte, was denn dann zwischen Baum und Borke, zwischen dumm und dümmer, zwischen Pat und Patachon stehe, hatte ich unwillkürlich den zweiten Briefumschlag aufgerissen und sah mich prompt einer weiteren mentalen Herausforderung gegenüber. Hintzes Kollege Zauritz von der HypoVereinsbank behauptete in der Betreffzeile: „Entscheidend ist nicht, wie Sie sind, sondern wie Sie sein möchten.“

Das brachte eine weitere Saite in mir zum Schwingen, nicht sofort, sondern als einer dieser Zufälle klingelte, die man in einem Roman, in einem Film wegen Unglaubwürdigkeit ablehnen würde. Als ich öffnete, traten zwei Herren in grauem Anzug in mein Leben. Hatten sich Hintze und Zauritz zusammengetan und persönlich auf den Weg gemacht, um ihrer Kreditofferte Nachdruck zu verleihen? Das hätte Schneid gehabt. Aber ein Schildchen am Revers identifizierte das Duo als Drücker-Kolönnchen der Firma Arcor. Ein Augenzwinkern andeutend sagte der eine, er habe mir anlässlich der CeBIT und nur für kurze Zeit ein sensationell günstiges, einmaliges Exklusiv-Angebot zu unterbreiten. Ob ich denn noch bei der Telekom einen Vertrag hätte oder bei dem lokalen Dienstleister htp? So oder so, es wäre weitaus billiger, wenn …

Das seien arglistige und verruchte Reden, sagte ich, ohne zu merken, dass die Formulierung aus dem Buch stammte, das ich gerade las. Mit einer Stimme, die so dumpf klang, wie wenn man Erde auf Erde schaufelt, fuhr ich fort, ich sei dieser notorisch plumpdreisten, selbstgefälligen Geld- und Geizgeilheitspropaganda ohnehin überdrüssig, und außerdem würde ich an der Tür keine Geschäfte tätigen. Sie auch nicht, sagte nun derjenige, der näher an den Treppenstufen stand: „Wir würden gerne reinkommen und alles in Ruhe besprechen.“

„Nein, nein und nochmals nein“, brüllte ich so laut, dass dem Zahnarzt in der Praxis unter uns der Bohrer aus der Hand glitt, „ich gebe gern Geld aus!“ Je mehr, je lieber, es müsse richtig teuer sein, damit ich zufrieden sei. „Dann noch viel Spaß dabei“, sagte der eine süffisant, und das war ein Satz zu viel. Was dann folgte, sah vielleicht nicht danach aus, was „Halliwell’s Film and Video Guide“ in Sam Peckinpahs Film „Die Killer-Elite“ als „smooth fashionable violence“ diagnostiziert, aber ich war zufrieden, wie eilig die beiden die Treppe hinab klabauterten. Zauritz hatte Recht gehabt: Entscheidend ist, wie Sie sein möchten.