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: Die Verrücktheiten des März

Die Collegemeisterschaft im Basketball begeistert die Fans, doch immer mehr einheimische und ausländische Talente sparen sich die Uni

March Madness – und eigentlich ist alles wie immer. Basketballteams von 64 Colleges, zehn bis fünfzehn Milliarden Dollar in unzähligen, zumeist illegalen Wettpools, 63 Spiele im K.o.-System, und nach 63-mal topp oder hopp darf sich die eine ungeschlagene Uni-Auswahl am ersten Aprilwochenende National Champion nennen. Große Namen erwehren sich aufmüpfiger Nobodys, legendäre Rivalitäten erleben Neuauflagen und vermeintliche Zwerge feiern Triumphe, wofür ihnen sofort das „Cinderella“-Etikett aufgeklebt wird. Dieses Jahr erwischte es Favoriten wie Stanford, Kentucky und Gonzaga bereits in der zweiten Runde, während Nevada und Alabama-Birmingham die größten Überraschungsteams im Kreis der „Sweet 16“ sind, die ab morgen die Final Four unter sich ermitteln.

Eigentlich alles wie immer, doch zwei Trends beginnen das Aussehen der dramatischsten aller Meisterschaftsveranstaltungen zu verändern. Zum einen machen sich die heimischen Ausnahmetalente rar, und mit jeder Erfolgsstory à la LeBron James oder Amare Stoudemire wird der direkte Sprung von der High School zu den Profis für hoch gehandelte Achtzehnjährige verlockender. Bis zu acht High-School-Kids erwarten die Talentspäher beim diesjährigen NBA-Draft im Juni unter den Erstrundenpicks, zusammen mit bis zu zehn internationalen Youngsters.

Womit wir beim zweiten Trend im Collegebasketball wären, denn anders als bei den Profis nimmt der Einfluss der Importspieler auf dieser Ebene nicht zu, sondern eher ab. Zwar spielen mit 392 Akteuren mehr ausländische Ball-Stipendiaten denn je in den 326 Division I-Teams, doch die Zuwachsraten sinken und gerade in der Spitze sucht man nach neuen Rödls oder Okulajas (beide einst North Carolina) vergebens.

Für die Creme des internationalen Nachwuchses spielen bei der Laufbahngestaltung natürlich die gleichen Motive eine Rolle wie für die High-School-Kids. Wird ihnen eine glaubwürdige Aussicht auf einen NBA-Vertrag signalisiert, schreiben sie sich lieber beim Draft als an einer Uni ein. Aber der Edelnachwuchs insbesondere aus Europa hat noch andere Gründe, den Karriereweg über ein US-College zu meiden. Denn die Spielberechtigung im Collegeverband NCAA setzt einen unbefleckten Amateurstatus voraus.

Konzipiert wurden diese strengen Regularien einst für US-amerikanische Verhältnisse, die eine Verschränkung von Jugend-, Amateur- und Profisport in gemeinsamen Vereinsstrukturen wie in Europa nicht kennen, und lange Zeit gingen die Prinzipienwächter der NCAA von dem Vorurteil aus, dass in den Basketball-Entwicklungsländern, sprich: überall außerhalb der Vereinigten Staaten, allenfalls amateurhaft gezockt wird. Seit vergangenem Herbst gelten jedoch erheblich differenziertere Zulassungshürden. Schon wer während seiner Schulzeit im Farmteam eines Bundesligisten spielt und auch in dessen Kader gelegentlich eingesetzt wird, muss mit Sperren rechnen.

Solche Risiken schrecken natürlich die Colleges, insbesondere die Basketballhochburgen, für die jeder der limitierten Stipendiumsplätze kostbar ist. Wenn dann noch – wie in den letzten Wochen – gleich drei europäische Spieler einem Profiruf aus der alten Welt folgen und ihr Team mitten in der Saison verlassen, packen Kommentatoren wie Gregg Doyel von CBS SportsLine sogar schon die Protektionismuskeule aus. Doyel: „Wir können sie nicht daran hindern zu gehen, aber wir können sie, wenn wir bloß wollen, daran hindern zu kommen.“

Doch vor alle puristischen Träume hat Gott Mammon die Einschaltquote gesetzt, und die NCAA muss mit der Attraktivität ihres Turniers jene 545 Millionen Dollar rechtfertigen, die CBS für die Übertragung alljährlich berappt. So wäre es nicht verwunderlich, wenn die Konditionen noch einmal modifiziert würden. Für ein Auslaufmodell ist der College-Athlet jedenfalls noch zu lukrativ. JENS PLASSMANN