Der Kampf geht weiter

Neun Spieltage vor Saisonende hat der FC Energie Cottbus wieder die Tabellenführung in Liga zwei übernommen. Selbst Trainer-Haudegen Eduard Geyer redet mittlerweile vom Aufstieg

AUS COTTBUS FRANK KETTERER

Wenn Christian Beeck die Gedanken schweifen lässt und dabei auch an seinen Job denkt, sind es durchaus angenehme Wellen, die ihn durchströmen. Warm fühlen sie sich an und wohlig, ein bisschen so wie die Frühlingssonne, die auch die Lausitz derzeit mit ihrem Lächeln verwöhnt. Es ist kein schlechtes Gefühl, in diesen Tagen Kapitän von Energie Cottbus zu sein, beileibe nicht. Seit Montagabend ist die Mannschaft wieder Tabellenführer in Liga zwei, und es sind nun, neun Spieltage vor Schluss, schon sechs Punkte Unterschied zu einem Rang, der am Ende nicht zurück in die Bundesliga führen würde. „Wenn ich über unsere Situation und den möglichen Aufstieg nachdenke“, sagt Beeck und blinzelt in die Sonne, „sehe ich da immer den Zeichentrickfilm mit dem kleinen gallischen Dorf, das sich erfolgreich einer Übermacht entgegenstemmt und am Ende siegt.“ Auch Asterix und seinem dicken Freund hat es immer sehr viel Spaß bereitet, ein paar Römer zu vertrimmen.

Sie mögen dieses Bild bei Energie: Das Bild vom Underdog, der keine Chance hat – und diese nutzt. Gegen alle Widerstände, gegen allen Unbill, gegen alle Gesetze der Branche. Beeck, der seit fünf Jahren bei Energie kickt, drei davon in Liga eins, sagt: „Allerdings haben wir niemanden, der den Zaubertrank mixt.“

Dafür haben sie Eduard Geyer. Geyer war der letzte Nationaltrainer der DDR, und vielleicht wirkt seine Art, die manchmal schroff daherkommt und hart und nicht wenig diktatorisch, auch deshalb bisweilen wie aus einer anderen, einer vergangenen Zeit. Aber das spielt keine Rolle, nicht wirklich jedenfalls, denn mehr als schroff und hart und diktatorisch ist Ede Geyer vor allem eines: ein verdammt guter Fußballtrainer. Als er nach Cottbus kam, spielte Energie in der Regionalliga, drei Jahre später stieg die Mannschaft in die zweite Liga auf, drei weitere Jahre danach in Liga eins. Drei Spielzeiten lang hat Geyer sie da oben gehalten – und jede einzelne davon war ein kleines Wunder, ganz ohne das große Geld, wie es die anderen Klubs ausgeben, diese Römer. Ganz ohne Zaubertrank. Im Juli kann Geyer sein zehnjähriges Trainerjubiläum bei Energie feiern. Kürzlich hat er in einer Talkshow im Regionalfernsehen dafür schon mal einen Wunsch geäußert. Geyer hat gesagt: „Wir stehen gut da. Ich will jetzt natürlich aufsteigen.“

So deutlich hat er das noch nie verlauten lassen, ganz im Gegenteil: Der 59-Jährige hat stets versucht, die Euphorie zu bremsen, die von Saisonbeginn an in der Lausitz geherrscht hat, schließlich war Energie von Anfang an vorne mit dabei. Geyer weiß, dass die Menschen in der Lausitz sich nach der Bundesliga sehnen; er will aber auch, dass die Menschen in der Lausitz wissen, dass sie das nicht unbedingt erwarten können von einem Verein wie dem FC Energie. „Wir haben eine viel schlechtere Basis und müssen sehr hart darum kämpfen, das Erreichte hier überhaupt zu erhalten“, sagt Geyer. „Es gibt viele Vereine, bei denen nach dem Bundesligaabstieg alles den Bach hinuntergegangen ist. Und ich kenne auch viele Kollegen, die sich sicher waren, dass sich das Thema Energie Cottbus nach dem Bundeligaabstieg auf Jahre hinaus erledigt hat. Dass es anders gekommen ist, ist nicht selbstverständlich. Das sollten wir nie vergessen.“

Das sollten sie wirklich nicht tun, dafür steckt viel zu viel harte Arbeit in dem Werk, das Geyers Werk ist. Und manchmal hat sogar der Trainer müde gewirkt und leer, leer gesaugt von all der Arbeit, diesem ständigen Überlebenskampf. „Ich würde mich auch mal gerne zurücklehnen. aber das geht hier nicht. Hier musst du immer wach sein wie ein Indianer“, hat Geyer in dieser Zeit gesagt. „Jedes Jahr kämpfen wir mit einem Schwert gegen Panzer.“ Noch Anfang des Jahres war er sich nicht sicher, ob er das wirklich noch braucht oder auch nur will. Sogar mit einem Auslandsaufenthalt hat Geyer geliebäugelt. In Katar beispielsweise ist es immer so schön warm, und er wird diesen Oktober 60. Mitte Februar hat er dann für zwei weitere Jahre verlängert, unabhängig von der Liga, in der Energie dann spielen wird.

Der Kampf geht also weiter, und im schmucken Stadion der Freundschaft ist das durchaus wörtlich zu verstehen. Fußball war hier schon immer mehr Arbeit denn Spiel, Kampf statt Kunst. Kunst ist schließlich teuer, auch im Fußball. Geyer sagt: „Wir können die Mannschaft nicht frei nach unseren Wünschen zusammenstellen, sondern in erster Linie nach den finanziellen Möglichkeiten.“ Mittelfeldspieler Timo Rost fügt an: „Wir finden oft über den Kampf in die Partie“, und ergänzt: „Wir alle haben ein Ziel: den Aufstieg. Und dieses Ziel werden wir nur erreichen, wenn wir weiterhin unserem Stil treu bleiben und uns nicht wie Mädchen anstellen.“ Diese Feststellung könnte auch vom Trainer stammen. Oder von Asterix, dem Gallier.