Ein Ex-Spitzel wird noch einmal ausgetrieben

Dem sächsischen PDS-Landtagsabgeordneten Ralf Eißler droht Mandatsverlust – unter merkwürdigen Umständen

„Die PDS-Landtagsfraktion steht hinter Ralf Eißler!“ Selbstverständlich. Die Solidarität wuchs schon immer an ungeahnter Stelle, wenn einem PDS-Abgeordneten in Sachsen der Paragraf 118 der Landesverfassung drohte. Er erlaubt eine Abgeordnetenanklage mit dem Ziel der Mandatsenthebung, wenn frühere Stasi-Zusammenarbeit nachgewiesen werden kann.

Und dennoch waren einige der Genossen Sozialisten nach der Landtagswahl 1999 nicht ganz unfroh, dass Eißler eines der 30 Mandate der stärksten Oppositionspartei zunächst knapp verpasst hatte. Voran Fraktionschef Peter Porsch. Zwischen beiden besteht sozusagen ein Nicht-Verhältnis, nachdem Porsch 1999 Eißlers Abberufung als Landesgeschäftsführer der PDS betrieben hatte. Den pragmatischen Reformern war Eißler schlichtweg zu altlastig.

Der 45-jährige Ralf Eißler gehört weder innerparteilich noch in der Außenwirkung zu den Sympathieträgern seiner Partei in Sachsen. Im Landtag ist allerdings kaum nachzuvollziehen, was aus seiner Zeit im Kreistag Meißen in den Neunzigern noch berichtet wird. Polemisch, aggressiv, oft unbeherrscht sei er und träume doch von der Harmonie des sozialistischen Ideals. Für Letzteres mag das von ihm beförderte „Haus für viele(s)“ stehen, ein Kultur- und Begegnungszentrum in der Elbestadt.

Im Landesparlament dagegen tritt er kaum in Erscheinung. Schon gar nicht polarisierend, wie das im Meißner Stadtrat und im Kreistag noch der Fall war, als seine bekannt gewordene Zusammenarbeit mit der Stasi sowohl SPD als auch CDU zu Boykotten veranlasste. Eindeutig belegt ist, dass der angehende Direktor für Studienangelegenheiten an der Landwirtschaftshochschule Meißen eine kaum zweijährige Liaison mit der heimlichen Macht hatte. 1988 erst war Eißler geworben worden, will aber trotz der gelieferten Berichte niemanden persönlich denunziert haben. Als es kurz darauf mit der DDR vorbei war, schlug sich der gelernte Lehrer als Ausbilder und Reiseunternehmer durch.

Nun soll ihn seine Vergangenheit erneut einholen. Der zuständige Bewertungsausschuss empfahl eine Klage vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof. Einer solchen Klage müssen zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen. Warum der Ausschuss jetzt erst sprach, lässt Raum für Spekulationen. Denn 1998 scheiterte schon einmal eine Klage gegen drei PDS-Abgeordnete, weil mehr als ein Jahr zwischen Bekanntwerden der Vorwürfe und der Klageerhebung verstrichen war. Die PDS-Fraktion aber war schon im März 2003 in die Offensive gegangen und hatte bekanntes Eißler-Material nochmals veröffentlicht. Die Gauck-Akten lagen im Juni des Vorjahres offiziell vor.

Möglicherweise soll das Verfahren, das sich mit Auflösung des Landtages im Spätsommer ohnehin erledigt hat, im Sande verlaufen. Nicht nur das Verfassungsgericht fasst inzwischen den Paragrafen 118 mit spitzen Fingern an. MICHAEL BARTSCH