Die Mutterländer sollen Zypern-Streit lösen

Griechische und türkische Zyprioten können sich nicht alleine auf die Gründung eines neuen Bundesstaats einigen.Aus diesem Grund sitzen ab heute Griechenland und die Türkei in der Schweizer Bergwelt mit am Verhandlungstisch

BERLIN taz ■ Auf Zypern nimmt ein neuer Staat Gestalt an. Nationalhymne und Flagge gibt es schon. Doch die Hymne lädt nicht zu Sangesfreuden ein, denn sie ist rein instrumental. Nur so entging man dem Problem, zwei Sprachen – Griechisch und Türkisch – in einem Song unterbringen zu müssen. Und um die Flagge gibt es schon Streit. Zyperntürken-Führer Rauf Denktasch bemängelte, dass die rote Farbe für das türkische Element dort als Streifen ganz unten untergebracht ist, während Griechisch-Blau oben steht. Der griechisch-orthodoxe Bischof von Kyrenia befürchtete wiederum, die rote Farbe symbolisiere, dass alle Griechen zu Türken werden müssten.

Wenn heute im schweizerischen Bürgenstock bei Luzern die zweite Runde der Zypern-Verhandlungen beginnt, geht es um viel mehr als Flaggen und Hymnen. Der Zeitplan ist eng, die Verhandlungsführung durch die UN strikt. Nach dem Scheitern der vierwöchigen Gespräche zwischen Zyperngriechen und -türken in Nikosia werden jetzt die „Mutterländer“ Griechenland und Türkei hinzugezogen. Zu einer Zypern-Lösung scheinen beide entschlossen: Sowohl der griechische Premier Kostas Karamanlis als auch sein türkischer Kollege Tayyip Erdogan haben ihr Kommen zugesagt. Beide werden zur Schlussrunde am 28. März erwartet.

Einer wird dagegen in den Schweizer Bergen fehlen: Rauf Denktasch sagte seine Teilnahme gegen den Willen Ankaras ab. Der Präsident Nordzyperns bereitet offenbar schon jetzt eine Kampagne gegen die Gründung des bizonalen Bundesstaats auf der Insel vor. Am 20. April werden Zyperngriechen und -türken getrennt über den Plan des UNO-Generalsekretärs Kofi Annan entscheiden. Der Ausgang ist ungewiss. Nationalistische Hardliner machen auf beiden Seiten mobil.

Weder Denktasch noch sein griechischer Amtskollege Tassos Papadopoulos konnten in der ersten Verhandlungsrunde ihre Meinungsunterschiede bezüglich des Annan-Plans überbrücken. „Sie können sich nicht einmal darüber einigen, ob Tee oder Kaffee serviert werden soll“, beschrieb der zyperntürkische Premier Mehmet Ali Talat unlängst das Verhandlungsklima. Während die Türken eine Stärkung der Bundesstaaten verlangten, wollten die Griechen im Gegenteil die Rolle des Zentralstaats betont wissen. Diese Positionen ergeben sich auch aus der Demografie: Die Griechen stellen die numerisch deutlich stärkere ethnische Gruppe gegenüber den Türken.

In der Schweiz stehen die Chancen für eine Lösung indes besser. Die neue griechische Regierung hält an der versöhnlichen Außenpolitik gegenüber dem türkischen Nachbarn fest. Ankara wiederum will den Zypern-Konflikt vom Hals haben, um im Dezember Beitrittsverhandlungen mit der EU zu ermöglichen.

Von zentraler Bedeutung für den Ausgang der Verhandlungen dürfte eine von Ankara geforderte Garantie der EU werden. Die Türkei möchte sicherstellen, dass Regelungen zur eingeschränkten Niederlassungsfreiheit von Insel-Griechen im türkischen Bundesstaat nicht etwa von einem EU-Gerichtshof wieder gekippt werden. Dahinter steht die Befürchtung einer Masseneinwanderung griechischer Flüchtlinge in den türkischen Norden.

Wie die EU die türkischen Bedenken berücksichtigen will, ist noch unklar. Eine Möglichkeit wäre die Ratifizierung einer entsprechenden Erklärung durch alle 25 europäischen Parlamente. Das aber würde den gesamten Zeitrahmen sprengen. Schließlich soll die Vereinigte Republik Zypern bereits am 1. Mai parallel zur EU-Mitgliedschaft gegründet werden. KLAUS HILLENBRAND