Stufenweise Richtung Frieden

Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration – in drei Stufen will die UNO ehemalige Kämpfer ins zivile Leben überführen. Aber die Prozesse stocken

AUS KINSHASA DOMINIC JOHNSON

Bewaffnete Waisenkinder machen die Straßen unsicher. Flüchtende Militärs führen in einem fremden Land Krieg. Rebellenführer richten Parallelstaaten ein. Seit zehn Jahren leidet ein riesiger Gürtel afrikanischer Staaten, von Angola über die Demokratische Republik Kongo bis nach Burundi, Ruanda, Uganda und sogar Sudan, unter einem Geflecht grenzüberschreitender Kriege. Inzwischen sind in den meisten Ländern dieses „Afrika der Großen Seen“ Friedensprozesse in Gang. Aber was passiert mit den hunderttausenden jungen Kriegern?

Die Antwort lautet DDR – die englische Abkürzung für „Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration“ steht in der UN-Sprache für die Rückführung von Bürgerkriegskämpfern in ein normales ziviles Leben.

Doch dieses normale Leben existiert vielerorts gar nicht mehr. Hinzu kommt, dass viele Kämpfer nicht in ihrer Heimat aktiv waren, sondern im Ausland. Im Afrika der Großen Seen heißen solche Programme daher DDRRR – „Entwaffnung, Demobilisierung, Repatriierung, Reintegration und Wiederansiedlung“ (siehe Kasten). Und deren Arbeit ist genauso kompliziert, wie es sich anhört.

Vergleichsweise einfach ist es noch in Ländern, in denen eine bewaffnete Rebellion einen Krieg gegen die Regierung verloren hat. Das gilt beispielsweise für Angola, Ruanda und Kongo-Brazzaville. Hier stehen geschlagene ehemalige Bürgerkriegskämpfer oft Schlange für Wiedereingliederungsprogramme.

In Angola sind seit dem Tod des Unita-Führers Jonas Savimbi im Februar 2002 80.000 Unita-Kämpfer mit 300.000 Familienangehörigen in 41 Demobilisierungslager gezogen. Bis Ende 2006 will Angola 105.000 Exrebellen sowie 33.000 Armeesoldaten demobilisieren – zusammen mit ihren Familienangehörigen macht das 530.000 Betroffene. Doch die Lager sind schlecht versorgt, manche Exrebellen werden Banditen. Daher will die Regierung inzwischen auch für Zivilisten ein Demobilisierungsprogramm, um die vielen unkontrolliert zirkulierenden Waffen einzusammeln.

Reibungsloser verläuft die Demobilisierung in Ruanda (siehe zweiter Text). Bereits zwischen 1997 und 2001, als Ruandas Armee aktiv im Kongo kämpfte, wurden 18.692 Regierungssoldaten entlassen; bis 2005 will die Regierung weitere 20.000 Soldaten sowie 25.000 aus dem Kongo zurückgekehrte Hutu-Kämpfer ins zivile Leben integrieren.

Komplizierter ist die Sache in Ländern, in denen niemand den Krieg gewonnen hat, sondern Bürgerkriegsparteien unter internationalem Druck in eine gemeinsame Regierung gesteckt wurden. Hier bedeutet Demobilisierung zunächst die Verschmelzung von Bürgerkriegsarmeen zu einer nationalen Streitmacht – also eine größere Armee statt einer kleineren. In dieser Situation befinden sich Burundi und die Demokratische Republik Kongo.

So soll in Burundi die derzeit 45.000 Soldaten zählende Armee des Landes (bei sechs Millionen Einwohnern) per Eingliederung der Hutu-Rebellen auf 80.000 wachsen – und erst danach über vier Jahre auf 25.000 schrumpfen. Gestern hat die Aufstellung der neuen Armee begonnen: Südafrikaner trainieren für sechs Monate 380 Exrebellen und 820 Regierungssoldaten gemeinsam. Ein richtiges Programm zur Demobilisierung hat Burundi aber noch nicht.

Am schwierigsten ist die Situation in der Demokratischen Republik Kongo, dem größten und kompliziertesten Kriegsschauplatz der Region. Seit der Bildung einer Allparteienregierung im Sommer 2003 müssen nicht nur Bürgerkriegsarmeen miteinander verschmolzen werden, sondern ganze Warlord-Territorien. Nach UN-Angaben zählt der Kongo 320.000 Kämpfer früherer Kriegsparteien und Milizionäre. Ein Anfang März erstellter DDR-Planentwurf sieht vor, dass sich diese Kämpfer in Lagern sammeln, wo die derzeit im Aufbau befindliche geeinte Armeeführung des Kongo sie in 120.000 brauchbare Kämpfer einer neuen Armee und 200.000 Demobilisierungskandidaten sortiert.

Dieser Prozess steht noch ganz am Anfang. Die neue Armee hat erst ein einziges Bataillon mit 880 Mann, geschult von Belgiern in der Stadt Kisangani – Kern einer geplanten „Regenbogenbrigade“ von 3.400 Mann. Sie soll ab Juni im Unruhedistrikt Ituri in den Krieg gegen Milizen ziehen. Mit Frieden hat das also wenig zu tun, zumal die vielen anderen Kämpfer des Kongo noch immer in den alten Bürgerkriegsstrukturen organisiert sind. Ihre Führer unterhalten geheime Waffenlager, und immer mehr Soldaten werden aus Perspektivlosigkeit zu Straßenräubern.

Die UNO, die mit 10.800 Blauhelmen im Kongo präsent ist, will bei der Demobilisierung keine aktive Rolle spielen, wie Peter Swarbrick, DDRRR-Beauftragter der UN-Mission in Kinshasa, erläutert: Man werde nur beobachten. Nicht einmal für die Sicherheit der Demobilisierungslager würden Blauhelme zuständig sein. „Es kommt auch nicht in Frage, dass wir Waffen einsammeln und zerstören, denn die neue Regierung wird sie ja brauchen“, meint Swarbrick.

Unter dieser Passivität leidet auch die freiwillige Rückführung ausländischer Kämpfer. Bis zum 8. März hatte die UNO nach eigenen Angaben 9.607 ausländische Kämpfer und Angehörige aus dem Kongo in ihre Heimat gebracht – 6.021 Ruander, 3.085 Burunder und 501 Ugander. Das ist weit weniger als die Hälfte der bekannten Zahl. Nach einem Schub zwischen November und Februar stockt die Repatriierung inzwischen wieder. Swarbrick warnt aber vor Pessimismus: „Wir können froh sein, dass wir so weit gekommen sind.“