Superlative satt

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen will sich nach ihrem erfolgreichen Beethoven-Projekt die vier Schumann-Sinfonien vornehmen. Das Spitzenorchester macht auch mit seinem sozialen Engagement Schlagzeilen

Wenn die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen zur Pressekonferenz lädt, dann gibt es immer Superlative satt. „Eine der besten Aufnahmen, die es je gab“, schallt der Jubel über den Beethoven-Zyklus aus dem japanischen Piper-Magazin zurück. Während 2007 das Jahr der musikalischen Weltreisen gewesen sei – die Kammerphilharmonie tourte durch Japan und die USA – sei 2008 das Jahr der Preise gewesen, fasste Geschäftsführer Albert Schmitt die Bilanz zusammen.

Unter anderem hat die als „Unternehmerorchester“ organisierte Kammerphilharmonie den „Gründerpreis“ erhalten (ZDF, Porsche, Stern) und das „Benefizkonzert des Bundespräsidenten“ ausgerichtet. Der weltweit beachtete Zyklus aller neun Beethoven-Sinfonien wird unter der Leitung von Paavo Järvi im März 2009 in Paris zu hören sein, als „Orchester in Residenz“ ist die Kammerphilharmonie im September beim Beethoven-Festival in Bonn engagiert, alle neun Sinfonien gibt es im Juli auch als Eröffnungsprogramm bei den Salzburger Festspielen. Einen Preis hat das Unternehmen Kammerphilharmonie auch von ganz anderer Seite bekommen: den „Zukunfts-Award“ des Institutes von Matthias Horx. Die Kammerphilharmonie war in das Gebäude einer Gesamtschule eines „sozialen Brennpunkt“-Stadtteils im Bremer Osten umgezogen und hatte dort mit der Schule ein umfangreiches Kooperationsprogramm verabredet. Horx war fasziniert von diesem Zusammentreffen zweier völlig verschiedener Welten.

Im Probenraum „Kammerphil“ finden also nicht nur Kammerkonzerte statt, sondern immer wieder auch Veranstaltungen mit Schülern aus dem Stadtteil. Kommendes Jahr sollen 300 Schüler auf der Bühne stehen – bei „Faust II“, einer Sprechoper von Karsten Gudermann.

So schafft das Orchester den Spagat, sich einerseits in Bremen sozial zu engagieren und zu verwurzeln, andererseits mit seiner Musik weltweit Aufsehen zu erregen. Das soziale Engagement hilft sicherlich der Kultur-Staatsrätin Carmen Emigholz (SPD), trotz des strikten Bremer Sparkurses die öffentlichen Zuschüsse zu rechtfertigen. Sie machen 39 Prozent des Etats aus, 35 Prozent werden von prominenten Sponsoren wie der Sparkasse Bremen oder Kraft Foods eingezahlt, 25 Prozent kommt über eigene Einnahmen zusammen.

Das Unternehmen Kammerphilharmonie bekommt in den USA schon seit Monaten die Auswirkungen der Finanzkrise zu spüren, berichtete Geschäftsführer Albert Schmitt. Das war für ihn Anlass zu Reflexionen darüber, „ob die aktuelle Finanzkrise den Zusammenbruch des Kapitalismus andeutet oder gar nur Symptom eines noch viel umfassenderen Wandels ist“. Der Hauptsponsor und Sparkassen-Vorstand Heiko Staroßom wollte so weit nicht mitgehen, es sei eben eine typisch deutsche Art, immer gleich Systemkrisen zu wittern – er zeigte sich zuversichtlich, dass die Herausforderungen der Krise im System gelöst werden. Das wäre schließlich auch für die Kammerphilharmonie gut.

Was kommt nach Beethoven? Das ist die Frage, die sich die rund 4.000 treuen Konzert-Besucher der Abonnements-Reihen der Kammerphilharmonie in Bremen stellen. Und es war auch die Frage nach dem Engagement von Paavo Järvi, immerhin „Künstlerischer Leiter der Kammerphilharmonie“, der ganz offen bedauerte, dass er nicht mehr Zeit habe für sein Bremer Liebhaber-Orchester. Järvi ist hauptberuflich in Cincinnati engagiert und beim Sinfonieorchesters des Hessischen Rundfunks, zudem auch in seiner Heimat Estland und demnächst beim Orchestre de Paris. Bleibt da für Bremen noch Platz im Terminkalender? Ja, sagt Järvi – denn noch sind zwei der CDs für den Beethoven-Zyklus nicht erschienen. „Leider hat Beethoven nur neun Sinfonien geschrieben“, scherzte der Dirigent auf der Pressekonferenz, und so soll eine Beschäftigung mit dem Romantiker Robert Schumann folgen. Der hat immerhin vier Sinfonien hinterlassen.

Dass die Kammerphilharmonie Bremen auch ohne Järvi kann, zeigt ein Blick ins Programm der nächsten Monate: Da ist Trevor Pinnoc angekündigt und Heinrich Schiff, Stefan Solym und Herbert Blomstedt, alles Namen aus der ersten Liga des klassischen Musikbetriebes. Die großen Namen sind aber nicht alles. Der Schlagzeuger der Kammerphilharmonie, Stefan Rapp, bietet regelmäßig Schlagzeug-Konzerte an, unter dem Namen „Melodie des Lebens“ gibt es eine Show-Reihe mit der Kammerphilharmonie und Schülern der Gesamtschule Bremen-Ost. Mit dem Bremer Jugendtheater „Moks“ wird „Ich, Peer Gynt“ auf die Bühne gebracht und unter dem Namen „Response“ findet schon seit Jahren ein Projekt „Musikunterricht mal anders“ statt: Musiker und Komponisten erarbeiten jeweils eine Woche lang mit Schülern ein Projekt, die Ergebnisse werden im Rahmen eines Konzertes im Schlachthof“ vorgestellt.

Ganz ohne konzertante Weltreise geht es auch 2009 nicht: Mit der Pianistin Hélène Grimaux und Paavo Järvi tritt die Kammerphilharmonie in New York auf. KLAUS WOLSCHNER