Weihnachtsmarkt

Am After des Ungetüms

Mein Handy piepte. „War grad aufm Weihnachtsmarkt und hab zwei blaue Augen. Geil!“ Ich simste zurück: „Wie’n das?“ Als Antwort erschien kurz darauf: „Wollte doppelt Senf auf meine Bratwurst…“ Auch wenn sich das Ganze als Scherz herausstellte, spiegelt es doch die allgemeine Stimmung auf den Weihnachtsmärkten mit Glühweinsilos, Teddybärverlosungen, elektrischen Riesenkraken und Kotzgarantie wieder. Zwei Tage später entschied ich mich, das Ganze mal wieder selbst zu begutachten. Nach einem Abstecher auf den Gendarmenmarkt (ein langweiliger Disneylandabklatsch mit überteuerten Bratäpfeln und Horden von Mecklenburger Senioren) schmiss ich mich samt Begleitung ins undurchsichtige Getümmel des Konsumfestes am Alexanderplatz.

Alles bemüht sich, Weihnachtscharme zu versprühen. Ob die den Autoscooter verteidigenden Jugendgangs, die schiefen Bärte der sich ständig über den Weg laufenden Weihnachtsmänner oder die ad hoc platzierten Lichtenberger Solariumschönheiten. Dazwischen zweifelhafte Spendensammler, die den Slumkindern von Caracas moderne Kunst näher bringen wollen oder einen halb erfrorenen Esel hinter sich herziehen. Nach zehn Minuten wirft jemand neben mir ein anscheinend soeben entwendetes Portemonnaie weg, und als ich mich bücke, um es aufzuheben, kommt ein anderer und versucht es mir zu entreißen.

39 Euro und eine Stunde später steht der enttäuschte Besucher am After des Ungetüms namens Rummelplatz in einer dunklen kahlen Ecke namens Ausgang und versucht sich zu erinnern, was einen, verdammte Scheiße noch mal, in der Kindheit an diesen Besuchen so fasziniert hat. JURI STERNBURG