Bahn macht klar Schiff

Konzernchef Mehdorn kündigt „Paradigmenwechsel zu mehr Kundenfreundlichkeit“ an. Vorstände entlassen. Preissystem wird überprüft. Stornogebühr von 45 Euro auf 15 Euro gesenkt

BERLIN dpa/taz ■ Nach dem Chaos mit dem neuen Preissystem und hohen Verlusten im ersten Quartal zieht die Deutsche Bahn die Konsequenzen: Das Unternehmen entlässt zwei Vorstände und bessert sein umstrittenes Tarifwerk nach. Als Sofortmaßnahme werden die hohen Stornogebühren bei Frühbuchertickets reduziert. Außerdem wird das von Bahnchef Hartmut Mehdorn lange vehement verteidigte Preissystem auf den Prüfstand gestellt. Mehdorns Vertrag wurde trotz wachsender Kritik auch in der rot-grünen Koalition über das Jahr 2004 hinaus vorzeitig bis 2008 verlängert.

Wie die Bahn gestern nach einer Aufsichtsratssitzung mitteilte, werden der für den Personenverkehr zuständige Bahnvorstand Christoph Franz und der Marketingvorstand Hans-Gustav Koch entlassen. Beide waren maßgeblich für das Ende 2002 gestartete Preissystem verantwortlich. Nachfolger von Franz wird Karl-Friedrich Rausch, der bislang im Vorstand für die Bahntechnik zuständig war. Mit der Verlängerung von Mehdorns Vertrag stärkt die Bundesregierung dem Bahnchef demonstrativ den Rücken. Mehdorn will die Bahn bis 2005 börsenfähig machen. Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) nannte Mehdorn den „richtigen Mann am richtigen Platz“.

Bahn-Aufsichtsrätin Margareta Wolf, grüne Staatssekretärin im Umweltministerium, sagte der taz, Mehdorn habe im Aufsichtsrat einen „Paradigmenwechsel zu mehr Kundenfreundlichkeit“ angekündigt. Das Preissystem werde unter dem neuen Vorstand „noch einmal genau auf seine Kundenwirkung angesehen“, kündigte Mehdorn an.

Die Bahn hatte im ersten Quartal dieses Jahres ein Rekordminus von 133 Millionen Euro eingefahren. Außer der Bahn selbst hatten alle Experten das Preissystem dafür verantwortlich gemacht. Seit gestern teilt auch Hartmut Mehdorn diese Ansicht. Gerade noch rechtzeitig, wie Hartmut Buyken vom Fahrgastverband „ProBahn“ konstatiert. „Mehdorn hat bewiesen, dass er lernfähig ist“, sagte er der taz. Er schlägt vor, die alte Bahncard wieder zu beleben, mit der auch SpontanfahrerInnen billig fahren.

Auch der grüne Verkehrsexperte Albert Schmidt will die alte Bahncard in neuem Gewand: als Bahncard Gold etwa, die mehr kostet, aber auch mehr Rabatt bringt als die jetzige neue Bahncard. Dass Mehdorn im Amt bleibt, hält Schmidt für vertretbar: „Wenn dieser Mensch mit seiner ganzen Power in die richtige Richtung läuft und nicht in die falsche wie bisher, kann das nur von Vorteil sein“, so Schmidt zur taz. FDP und CDU nannten die Entlassungen „Bauernopfer“ und Mehdorns vorzeitige Vertragsverlängerung einen „Treppenwitz“. HEIDE OESTREICH

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