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Archiv-Artikel

Horáková der Sozialpolitik

Wer ist am unsozialsten in Stadt und Land? Heftiger Schlagabtausch zwischen Schwarz-Schill und Rot-Grün in der Bürgerschaft über Schröders Agenda 2010

Schlicht gegen etwas zu sein, ist einfacher, als eine eigene Alternative zu entwickeln. Eine solche hatte die Regierungskoalition aus CDU, Schill-Partei und FDP auch nicht zu bieten, als das Parlament gestern über die ReformAgenda 2010 der Bundesregierung stritt. Der SPD im Bund sei maximal ein „kleines Lichtlein“ aufgegangen, höhnte Wieland Schinnenburg (FDP), und die Hamburger Genossen würden vollkommen „im Dunkeln“ stehen. „Wir machen es besser“, kündigte er an. Wie, sagte er nicht.

Frank Schira (CDU) beließ es dabei, die Politik der SPD ins Visier zu nehmen. In Hamburg würde die SPD der Koalition soziale Kälte vorwerfen und beispielsweise kritisieren, dass diese das ermäßigte HVV-Ticket für Sozialhilfeempfänger abschaffe, während die Genossen im Bund das gesamte Sozialsystem auf den Prüfstand stellten. „Befreien Sie sich aus dem Geist der Gewerkschaft und tun Sie etwas für Ihre Stadt“, forderte er.

Der GAL-Abgeordnete Jens Kerstan hielt dagegen, dass die Hamburger Regierung im Bundesrat reine Blockadepolitik betreibe. Wer aber „diese Blockademacht, hat auch eine Gestaltungsaufgabe“, erinnerte er und fragte: „Wo ist Ihr Beitrag?“ Auch die SPD-Abgeordnete Gesine Dräger wies darauf hin, dass Schwarz-Schill bislang „an sozialpolitischen Initiativen nichts produziert hat“: Für Sozialhilfeempfänger, junge Arbeitslose, Behinderte und Migranten „haben Sie absolut nichts vorgelegt“, sagte Dräger und stellte fest: „Bei Ihnen geht es immer nur um Missbrauch und die Absenkung von Leistungen.“

Das warf auch ihr Fraktionskollege Dirk Kienscherf der rechten Koalition vor. Sie betreibe eine „unerträgliche Politik gegen Menschen, die den Staat brauchen“. Insbesondere die „Misstrauenskampagne“ von Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU), ihr „Generalverdacht“ gegenüber allen Sozialhilfeempfängern, sei beispiellos. Inzwischen habe sie selbst einräumen müssen, bei nur 2,4 Prozent aller EmpfängerInnen Missbrauch festgestellt zu haben. Eine Entschuldigung bei den übrigen 97 Prozent aber sei sie schuldig geblieben. Die Sozialsenatorin, so Kienscherfs Resümee, „entwickelt sich immer mehr zur Horáková der Sozialpolitik“. Elke Spanner