bilanzen, teil 6
: Der Werderwilli

Ein „Mann für alle Fälle“ hieß es in Bremen vor vier Jahren, als die ersten Gerüchte über eine mögliche Quereinsteiger-Karriere von Willi Lemke kursierten. Denn der Fußballmanager des SV Werder Bremen hatte am 1. Mai 1999 auf der DGB-Kundgebung geredet – überraschenderweise. Auf Nachfrage musste der DGB einräumen, dass niemand im Gewerkschaftshaus auf die Idee gekommen war, Lemke einzuladen. Aber Henning Scherf, Bremens Bürgermeister und der Profi für politische Karrieren, hatte seinen alten Bekannten testweise aufs Rednerpult empfohlen.

Eigentlich hatte Lemke das Wirtschaftsressort übernehmen sollen. Mit Geschäften und Geschäftspartnern kannte er sich aus. Wenige Tage nach der Wahl war Lemke dann Senator für Wissenschaft und Bildung. In der Bildungspolitik kannte sich bis dahin vor allem seine Frau aus – als engagierte Elternsprecherin an der Schule seiner Kinder. Wenige Monate später wurde der 56-Jährige turnusgemäß Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK).

Von der Zähigkeit deutscher Bildungspolitik ahnte er damals offenbar wenig. Lemke verkündete forsch, er wolle die Kultusministerkonferenz „zu einer ersten Adresse für Bildungspolitik in Deutschland machen“. Inzwischen macht es ihm mehr Mühe, dass Bremen nach Pisa eine der letzten Adressen im bundesdeutschen Bildungs-Ranking ist.

Von Anfang an hatte sich Lemke weniger auf die große Politik gestürzt, sondern den Kontakt zum „Kunden“ gesucht. Er besuchte hunderte von Schulen und bald merkten die Schulleiter, dass man da im direkten Kontakt mit dem Senator vieles klären konnte, was auf dem Behördenweg monatelang schmoren würde. Ein Senator sei „Dienstleister“, verkündete er, und aus Finnland berichtet er begeistert, dort gebe es für das ganze Land nur so viel Verwaltung wie das kleine Bundesland Bremen sich leiste. Völlig unklar ist aber bis heute, wie das Bildungsressort so umorganisiert werden könnte, dass es auch „Dienstleister“ für die Schulen wird. Dennoch: Im Vergleich mit seiner Vorgängerin Bringfriede Kahrs hat der Quereinsteiger Lemke trotz schwieriger Kassenlage ein erstaunlich positives Profil gewonnen und erfolgreich zwischen dem Koalitionspartner CDU und den bildungspolitischen Traditionalisten in der SPD jongliert.

„Wenn ich das hier hinkriege, war das nicht mein letzter Job“, vertraute Lemke vor vier Jahren Journalisten an, nicht ohne hinzuzufügen: „Ich muss nicht Bürgermeister werden.“ Da nun Henning Scherf seinen Platz nicht räumen will, bleibt Lemke auch gern Bildungssenator. Um wirklich etwas zu bewegen, braucht man mehr als vier Jahre, hat er gelernt.Klaus Wolschner